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Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)

Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)

Titel: Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Saunders
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machst du hier, meine Süße?«
    Phoebe zog ihn zum anderen Ende der langen Großraumküche. Ich hörte, wie sie ihm mit leiser, betroffener Stimme erzählte, was geschehen war. Ich war offensichtlich nur mit den Kleidern, die ich am Leibe trug, verlassen worden. Was, um alles in der Welt, sollten sie tun?
    Jimmy sagte: »Diese beiden …«, gefolgt von einer Reihe seltsamer Wörter, die ich damals nicht verstand, deren Bedeutung ich mir aber heute vorstellen kann. Ich erkannte Jimmys zutiefste Ablehnung meines Vaters, seines vollkommenen Gegenteils, in all ihrer Macht. Jimmy verachtete meine Eltern, weil sie ihr einziges Kind vergessen hatten, und hasste sie fast dafür, dass sie Phoebe zum Weinen brachten. Ich sah sie an seiner Schulter schluchzen, tief verletzt darüber, dass es solche Kaltherzigkeit auf der Welt geben sollte.
    Wir – die Jungen und ich – hätten in dem Moment Angst bekommen können. Jimmy besaß jedoch die Gabe, alles in Ordnung zu bringen. Er goss Phoebe ein Glas Rotwein ein und führte dann einen mitreißenden Chor des Willy-bum-Liedes an. Er brachte mich zum Kichern, indem er meinte, dass ich zum Schlafen lustige Dinge tragen müsste – Geschirrtücher, Kopfkissenbezüge –, weil ich kein Nachthemd dabeihatte. Schließlich trug ich einen von Bens Pyjamas, und Jimmy schleppte uns alle drei huckepack die Treppe hinauf.
    Ich habe nie genau herausgefunden, was zwischen meinen Eltern und den Darlings geschah. Als Gudrun zurückkam und die Nachricht von meinen Eltern gefunden wurde, stürzte sich Jimmy regelrecht auf die angegebene Telefonnummer und hielt meinem Vater eine Standpauke, dass fast der Hörer schmolz. Das Ergebnis war, dass Gudrun nur mit beschämter Miene ein Bündel mit meinen Habseligkeiten herüberbringen durfte. Jimmy weigerte sich, mich hinüberzulassen, bis ich von einem Elternteil abgeholt würde. Bis dahin sollte ich bei den Darlings bleiben, im geweihten Land der Süßigkeiten und des Fernsehens. Besser noch – es wurde arrangiert, dass Phoebe mir ab jetzt jeden Tag Tee machen und meine Hausaufgaben beaufsichtigen würde.
    Jetzt gehörte ich wirklich zur Familie. Die Vereinbarung wurde bis zur Scheidung meiner Eltern fortgeführt. Das war das Beste, was mir je passiert ist, wie ich Phoebe häufig erzählte. Sie teilte Jimmys Abneigung gegen meinen Vater, aber sie hielt standhaft die Verbindung zwischen mir und meiner Mutter aufrecht, als die gesamte Beziehung sonst vielleicht für immer abgebrochen wäre. Das ist nur eines der Dinge, die ich ihr verdanke.
    Die Jungen akzeptierten das Verhältnis schnell. Frederick, der gerne neckte, gab mir den Spitznamen »Grimble«, nach dem Jungen in Clement Freuds Geschichte, dessen unzuverlässige Eltern nach Peru reisen, ohne es ihm zu erzählen. Mir gefiel der Spitzname nicht, aber mich ehrte Fredericks Aufmerksamkeit. Er war unser Anführer, obwohl ich in dieser Zeit Ben näher stand. Wenn Frederick nicht in der Nähe war, konnten Ben und ich frei unsere Feenreigen und Teddybär-Picknicks ausleben. Wir hatten ein sinnloses Spiel, das »Cotton Houses« hieß und nur darin bestand, in unseren Dufflecoats mit dem Rücken an einer Wand zu sitzen und die Kapuzen über die Gesichter zu ziehen.
    Ich muss gegen eine ganze Schar von Erinnerungen ankämpfen, die hochkommen, wann immer ich mich meiner absonderlichen, geborgten Kindheit entsinne. Die Vergangenheit wird mit jedem Tag wichtiger. Man muss jeden Moment speichern und in Ehren halten, wie wir vor sechs Jahren begriffen, als Jimmy starb. Es war Leberkrebs, der ihn innerhalb nur weniger Monate ins Grab brachte.
    Sie konnten es nie akzeptieren, ohne ihn zu leben. Phoebe, obwohl sie so liebevoll und humorvoll wie immer war, trug einen Dorn der Qual im Herzen. In meinen traurigeren Momenten dachte ich, dass diese Qual sie langsam umbringen würde. Aber nennen wir die Dinge beim richtigen Namen. Phoebe starb langsam an Leukämie.
    Als ich meinen Arbeitsplatz an diesem Abend verließ, lief ich eilig den Piccadilly entlang auf die U-Bahn-Station zu und dachte an alles Mögliche, was mich von der kalten Öde ablenken würde, welche die Zukunft bedeutete. Phoebe verblich so sanft, dass es immer noch weitergehen konnte, wenn man vorgab, die Zeit sei stehen geblieben.

Kapitel Zwei
    Es war ein wunderschöner Frühlingsabend. Ich stieg von der U-Bahn hinauf in ein schimmerndes, opalisierendes Licht, das die Ziegelsteine der alten Häuser samtweich wirken ließ. Ich dachte, wie ich schon
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