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Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)

Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)

Titel: Es soll Liebe sein: Roman (German Edition)
Autoren: Kate Saunders
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nahm eine Tupperdose, eine Thermosflasche und eine regenbogenfarbene Strickarbeit hervor. Ihre älteste Tochter hatte Drillinge, und Betsy griff nach der Strickarbeit, wann immer sie die Hände frei hatte.
    Ich suchte währenddessen in meiner Handtasche nach dem Käse-Baguette, das ich auf dem Weg zur Arbeit gekauft hatte und das nun zerdrückt unter Band drei einer Biographie von Lord Beaconsfield lag. Während ich aß, sah ich zu, wie Betsy zwischen einzelnen Maschen ihre Gemüsesuppe schlürfte, und dachte, wie angenehm es war, sie in der Nähe zu haben. Sie hatte langes graues Haar, das sie mit einer scheußlichen Lederspange zu einem Knoten feststeckte, und trug gewöhnlich eine ausgeblichene Cordsamtjacke. Sie hielt den Quarterly ungefähr seit der Rücknahme der irischen Getreidegesetze zusammen, und ich war mir bewusst, dass ich ohne sie verloren wäre. Es war seltsam, wie rasch ich mich daran gewöhnt hatte, nur wenige Meter von der Mutter meiner Klassenkameradin Sally Salmon entfernt zu arbeiten.
    »Weißt du«, sagte ich, »wir sollten wirklich aufhören, sie ›die Jungs‹ zu nennen. Sie sind inzwischen erwachsene Männer, auch wenn die arme Phoebe das nicht erkennt.«
    »Natürlich. Fritz muss schon einunddreißig sein – im gleichen Alter wie du und Sally«, sagte Betsy nachdenklich. »Und ich weiß, dass Ben im gleichen Alter ist wie Jonah, denn Phoebe und ich trafen uns gewöhnlich in der Entbindungsklinik.« Jonah war (und ist) Betsys einziger Sohn, der damals in der Mansarde seines Elternhauses lebte. Sally nannte ihn »Mrs. Rochester«. »Es fällt mir manchmal so schwer, daran zu denken, wie erwachsen ihr heutzutage alle seid.«
    Betsy und Phoebe hatten den gleichen Schwachpunkt. Offen gesagt, wunderte ich mich manchmal, warum sich Mütter mit Söhnen so plagen. Die Jungs, mit denen ich in unserem höchst bürgerlichen Stadtteil Londons aufwuchs, waren eher enttäuschend. Betsys Jonah war nur allzu typisch. Seine Stimme besaß einen Umfang von zwei Oktaven (eine mehr, und er hätte als Chor auftreten können), aber er hatte noch nie einen richtigen Job gehabt. Betsys Töchter sagten, er verbringe sein ganzes Leben damit zu essen, zu rauchen und die Telefonrechnungen hochzutreiben. Und es gab so viele wie ihn – kräftige junge Männer, die noch nie in ihrem Leben einen ehrlichen Schweißtropfen vergossen hatten und quietschvergnügt annahmen, die Welt schulde ihnen den Lebensunterhalt.
    Meine Freundinnen und ich bemühten uns häufig, das Geheimnis aufzuklären, was mit den Jungs der Mittelklasse unserer Generation falsch gelaufen war. Wir wurden alle bestmöglich erzogen, aber die Wege beider Geschlechter hatten sich irgendwo in den späten Teenagerjahren anscheinend getrennt. Wir Mädchen hatten es – höchst ehrgeizig und erfolgsbesessen – zu etwas gebracht. Wir steckten unsere Ziele so hoch wie möglich und strebten sie an wie hungrige Tigerinnen, die um Nahrung kämpften.
    Nehmen Sie zum Beispiel mich. Ich krempelte mit meinen einunddreißig Jahren gerade ein schäbiges altes Schlachtross von Literaturmagazin um. Gewiss waren meine einzigen Qualifikationen für den Job, dass ich eine Zeit lang als Herausgeberin im Verlagsgeschäft und noch länger bei einer überregionalen Zeitung beschäftigt gewesen war und lächerlich viel Chuzpe besaß. Aber seit ich den Job machte, stieg die Auflage. Ich war häufig in Radio-Buchprogrammen zu hören und im Fernsehen zu sehen und hatte bei mehreren Literaturpreisen in der Jury mitgewirkt. Ich rühme mich nicht gerne, aber ich war stolz auf die Dinge, die ich erreicht hatte, weil ich so hart dafür gearbeitet hatte. Und ich wandte diese schonungslose Arbeitsmoral auf alle Bereiche meines Lebens an. Mein natürlicher Status, so dachte ich oft, ist das Chaos. Mir selbst überlassen, produzierte ich Durcheinander und Unordnung – weitaus mehr als ein normaler, ordentlicher Mensch. Ein normaler Mensch kann sich das Haar bürsten und das Gesicht waschen und passabel aussehen. Ich war mir bewusst, dass es mich selbst mehr Mühe kostete. Ich investierte unglaublich viel dafür, so perfekt wie möglich zu sein. Es ist nun mal nicht so, dass ich besonders klug oder talentiert wäre. Das Schlüsselwort hier ist »Arbeit«.
    Meine Leistungen waren, verglichen mit denen meiner (weiblichen) Freunde und Bekannten, nur durchschnittlich. Betsys Töchter waren alle höchst erfolgreich – eine im Bankwesen, Sally war Rechtsanwältin, eine drehte preisgekrönte
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