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Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)

Titel: Es geschah in Berlin 1910 Kappe und die verkohlte Leiche (German Edition)
Autoren: Horst Bosetzky
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Kohlenplatz erlebt hatte. Er gab es in aller Ausführlichkeit wieder.
    «Das versetzt mich gar nicht in so Erstaunen», war Galgenbergs erster Kommentar. «Erinnern Sie sich noch, wie der Kockanz da mit dem Blumenstrauß aufgetaucht ist. .. im Krankenhaus Moabit? Als die Sophie Schünow zusammengebrochen war.»
    «Ja, natürlich. ..» Kappe hatte das Bild noch lebhaft vor Augen. «Ich frage mich nur, warum der Kockanz die schöne Sophie wieder sausen lässt und dafür die hässliche Frieda ehelichen will. Das ist doch irgendwie pervers.»
    «Nun übertreiben Sie mal nicht, Kappe! Wer diese Sophie heiratet, der wird nie richtig glücklich werden, weil er immer Angst haben muss, dass sie sich mit einem anderen einlässt. Andauernd versucht es einer. Und wie treu sie ist, hat sie selber unter Beweis gestellt: Kaum ist ihr Paul unter der Erde, wirft sie sich dem Kockanz an den Hals. Das muss den doch stutzig gemacht haben. Aber die Frieda, die nimmt ihm keiner weg.»
    Kappe fand das zwar zynisch, bezog es aber dennoch auf sich: Nahm er Klara zur Frau, musste er jeden Tag auf sie aufpassen, überall lauerten andere Männer wie die Geier. Bei seiner Cousine Hertha dagegen konnte er sicher sein, die führte kein anderer in Versuchung. «Ja, da ist was dran.»
    Sie hätten das Thema Kockanz und die Liebe noch weiter abgehandelt, wenn nicht in diesem Augenblick von Canow in ihr Büro getreten wäre.
    «Meine Herren, ich habe eine Nachricht für Sie.»
    «Wo komme ich denn hin?», fragte Kappe, der seiner Spannung nicht ganz Herr werden konnte.
    «Ins Zellengefängnis Moabit.»
    Kappe erschrak unwillkürlich. «Was habe ich denn. ..?»
    «Ja, was haben Sie denn. ..? Sie wissen doch, ein Geständnis zieht im Allgemeinen eine mildere Strafe nach sich.»
    «Ich habe doch aber gar nichts. ..» Kappe war nun wirklich ein wenig verwirrt.
    «Das ist ja noch schlimmer.» Von Canow war an diesem Montagmorgen prächtig gestimmt, weil er gestern im Freundeskreis beim Bridge einiges gewonnen hatte. «Sitzt hier in der Mordkommission und hat nichts getan!»
    Kappe fehlte es an Erfahrung, um mit dem alten preußischen Casinoton zurechtzukommen. Er reagierte viel zu ernsthaft. «Wir haben doch den Dlugy, wir haben doch den Weißagk. ..»
    «Apropos Dlugy: Der möchte gerne, dass Sie zu ihm ins Gefängnis kommen, weil er seine Aussage ergänzen möchte. Er liegt noch im Krankenrevier.»
    Gustav Dlugy hatte auch hinter Gittern mitbekommen, dass der Moabiter Aufstand schnell Geschichte geworden war. Alles ging so weiter, als wäre nichts geschehen. Sicher, jedes Feuer verlosch, warf man kein weiteres Holz hinein. Die Aufrührer hatten verloren, und er war der ganz besondere Verlierer. Dabei hatte er noch Glück gehabt. Wenn die Kugel wirklich in sein Herz gedrungen wäre, läge er jetzt auf dem Friedhof statt nur im Krankenbett. Man hatte sie herausoperieren, das Wundfieber aber nicht völlig beherrschen können. Doch nun ging es ihm wieder besser, und er hatte beschlossen, reinen Tisch zu machen.
    Gegen 10.30 Uhr erschienen Kappe und Galgenberg an Dlugys Bett. Ein Kriminaler war zeitlebens ein Feind für ihn, aber die beiden hier waren bei weitem nicht die schlimmsten ihrer Gattung. Der Jüngere erschien ihm wesentlich intelligenter und wortgewandter, der Ältere war dafür eher gemütlich. Es war ihnen aber anzumerken, dass sie mit einem Mörder absolut nichts zu tun haben wollten. Sie sahen so aus wie Kinder, die man zwang, ein ekliges Tier anzufassen: «Igitt!» Oder Erwachsene, die von jemandem, der an Tuberkulose litt, angehustet worden waren. Als gäbe es eine Mordsucht, die ebenso ansteckend war wie die Schwindsucht. Vielleicht war es auch so, und jeder Mensch trug den Keim in sich, ein Mörder zu werden. Diesen Gedanken musste man mit allen Kräften und Mitteln abwehren.
    «Es tut mir leid, meine Herren, dass ich Sie derart beanspruchen muss», begann Dlugy. «Aber ich muss Ihnen etwas sehr Wichtiges eröffnen.» Obwohl er sich nächtelang alles genau zurechtgelegt hatte, wusste er nicht, wie er nach diesem Eröffnungszug fortfahren sollte, und suchte Zeit zu gewinnen, indem er auf seinen Verband zeigte. «Meine Strafe habe ich schon bekommen. ..»
    «Für einen Mord ist das ein bisschen wenig», sagte Galgenberg.
    «Das ist ja der springende Punkt.» Dlugy fühlte sich wie ein Kind, das etwas sehr Schlimmes ausgefressen hatte und es einfach nicht schaffte, mit seiner Beichte zu beginnen. Da war alles blockiert.
    «Geht es also um Ihre
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