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Es geht auch anders

Es geht auch anders

Titel: Es geht auch anders
Autoren: Helmut Lotz (Hg.)
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glatte, faltenlose Gesicht, der schöne, schlanke Hals, der pralle Busen, der knackige Po – trotzdem kann man unerhört schön sein. Aber was ist überhaupt »schön«? Wenn ich in Afrika ’ne Unterlippe von hier bis zum Ku’damm habe, dann ist das dort der letzte Schrei. Du fändest das wahrscheinlich weniger schön (lacht). Kennst du die bezaubernde Geschichte von Somerset Maugham: »The Colonel’s Wife«? Die Engländer lieben ja meistens sehr schmale, knabenhafte, fast dürre Frauen. Die Frau dieses Colonels wurde nun aber immer fetter und war todunglücklich, denn ihr Mann verlor die Lust an ihr und fasste sie nicht einmal mehr an. Dann wurde er in den Mittleren Osten versetzt – und was passiert? Irgendein Scheich, der diese Frau sieht, verliebt sich unsterblich. Er nimmt sie als Geliebte und behängt sie mit Juwelen, weil sie so wunderbar dick ist. »Wat dem eenen sin Uhl, is dem andern sin Nachtigall.«
    Schön sind auch Menschen, die etwas erlebt, die viel gesehen haben. Da entdeckst du meist viel schönere, ausdrucksstärkere Gesichter als bei so jungen Püppchen. Ich zähl mich ja auch ein bisschen zu den schönen Alten, wenn ich meinen Fans Glauben schenken darf (lacht). Manche nehmen mir das richtig übel und giften über mich: »Ich versteh die Frau nicht! Was schminkt die sich, behängt sich mit Klunkern und takelt sich in ihrem Alter so auf?« Das ist doch eine Unverschämtheit, eine Gefühllosigkeit, eine Grausamkeit!
    Warum hast du so viele junge Fans?
    Weil ich lebe, weil ich beweglich bin. Weil ich geistig und seelisch noch nicht fossilisiert bin. Weil ich mich noch genau entsinne, was ich gedacht habe, als ich so alt war wie sie. Ich habe nichts vergessen, und ich decke nichts zu – was die meisten alten Leute tun. Und wenn die sich damals nicht so wie die jungen Leute heute verhalten haben – denn vor fünfzig Jahren gab es gar nicht die Möglichkeit, sich so zu verhalten –, dann sollte sie das Leben der heutigen Jugend interessieren. Für mich sind junge Menschen hinreißend spannend, und ich bin für sie spannend. Sie wollen wissen, was ich erlebt habe, und ich will wissen, was sie heute erleben. Warum soll man nicht offen sein? Ich bin vor dreißig Jahren nach Berlin zurückgekehrt, und ich habe damals Menschen von siebzehn, achtzehn Jahren kennengelernt. Einen habe ich vor ein paar Tagen wiedergetroffen. Und das Erstaunliche ist, dass ich den Jungen damals viel besser verstanden habe als denselben Mann jetzt mit Mitte vierzig. Denn heute ist er fertig mit der Welt, entwickelt sich nicht mehr, obwohl er doch immer noch jung ist. Die Sache ist für ihn geloofen.
    Wie kommst du mit den kleineren oder größeren körperlichen Unzulänglichkeiten im Alter zurecht?
    Na, so gut wie möglich! Manchmal ist es für mich ein Handicap, nicht mehr all das zu können, was ich früher mit links gemacht habe. Aber die Natur hat mich sehr verwöhnt, und mit den Abnutzungserscheinungen kann ich leben. Das ist völlig in Ordnung.
    Aber viele Menschen in deinem Alter, die durchaus gesund sind, haben Medikamente herumstehen, haben vielleicht mit dem Rauchen aufgehört und fahren nur noch zur Kur. Das tust du alles nicht.
    Nein, weil es mich nervös machen würde. Ich folge den Gesetzen meines Körpers, ich lausche in ihn hinein, und ich behandle ihn so, wie er gerne behandelt werden will. Ich muss mich zum Beispiel nicht beherrschen, nicht zu trinken. Ich habe früher viel und gern getrunken, Whisky und Gin: Um diese Zeit hatte ich mindestens schon drei doppelte Gin Tonics intus. Aber heute sagt mein Körper, ich mag das nicht. Ich trinke nicht gegen seinen Willen. Wenn ich das Gefühl habe, Mensch, jetzt möchte ich ein Glas Schampus trinken, dann trinke ich es, und dann bekommt es mir auch. Wenn ich gegen meinen Körper trinke, werde ich krank. Mit dem Rauchen ist es genauso. Ich hab jetzt wegen einer Erkältung drei Wochen nicht geraucht. Ich musste mich aber nicht wie ein Arzt ermahnen: »Rauchen Sie nicht!« Ich wollte nicht rauchen. Ich esse auch nur, wenn ich Lust dazu habe. Ob das nun morgens, mittags oder abends ist, ist doch vollkommen scheißegal! Irgendwann, jetzt! Ich unterliege nicht diesen Konventionen: Jetzt wird gefrühstückt, jetzt wird Mittag gegessen, das Abendbrot steht auf dem Tisch – das kenne ich nicht, das ist bei mir alles higgeldi-piggeldi-durcheinander. Und das ist viel gesünder. Denn wenn du essen musst , weil es sieben Uhr ist und es um sieben heißt: »Jetzt
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