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ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)

ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)

Titel: ES: Eine Villa wird zur Leichenhalle (German Edition)
Autoren: Lutz Spilker
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kann sich dort hinsetzen“, sagte er und wies mit seinem Blick auf den Stuhl des Tischendes. „Der Kopf der Tafel!“ fuhr es Gregory durch Mark und Bein.
„Darf ich fragen, warum ich dort sitzen soll?“ wollte Gregory wissen.
„Weil ich es so wünsche!“ kommandierte der Hausherr. Gregory nahm wie befohlen Platz. Es entstand eine merkwürdige Situation. Gregory saß zwar am Kopf der Tafel, jedoch vor einem leeren Teller, wie auch seine Gläser keinen Inhalt vorwiesen. Niemand legte den Herrschaften vor oder schenkte ein. Gregory versuchte es mit Konversation.
„Wann ist denn mit den anderen Gästen zu rechnen?“
„Dieses Jahr wohl nicht mehr“, sagte sie ohne auch nur eine einzige Miene zu verziehen und schaute dabei eisern geradeaus zu ihm.
„Dann wird hier so was wie ‚Dinner for One’ gespielt, verstehe“, sagte Gregory.
„Hier wird überhaupt nichts gespielt“, knurrte er und betonte dabei das Wort ‚gespielt’ sehr genau. Gregory stand auf, ging um die Tischecke zu den Schüsseln auf den Rechauds und legte den Herrschaften vor. „Wenn niemand mehr kommt, dann kommt eben niemand mehr. Eine Einladung ist schließlich kein Marschbefehl und vielleicht hatten unsere Gäste etwas Besseres vor“, sagte er bestimmend und schaute sie unentwegt dabei an. Sie grinste in der gleichen Art wie Jan, wenn er über die leeren Stühle sprach. Genauso fies. Irgendwas musste es mit den nicht erscheinenden Gästen auf sich haben. Bloß was? Gregory geriet ins Grübeln.
„Darf ich noch eine Frage stellen?“ Sie drehte ihren Kopf in Gregorys Richtung und forderte ihn wortlos auf, seine Frage zu stellen.
„Ich habe keinen Wecker“, sagte er.
„Das ist keine Frage, das ist eine Feststellung! Wollte ‚Es’ nicht eine Frage stellen?“ sagte der Hausherr scharf.
„Ich formuliere es anders… Womit wecke ich mich morgen früh?“
„Womit ließen sich unsere Väter in grauer Vorzeit wecken?“ konterte Gregorys Herr treffend. „Es existierten keine mechanischen Vorrichtungen, die dazu geeignet gewesen wäre, also musste etwas anderes benutzt werden und das nennt man noch heute die ‚Innere Uhr’“, setzte er fort. „Aktiviere sie und benutze sie!“ riet er. Gregory nickte wie ein gehorsames Kind, dem man gerade beibrachte, sich selbst die Schuhe zuzubinden. Natürlich war ihm der Begriff ‚Innere Uhr’ geläufig, aber niemals hätte er damit gerechnet, sich selbst so wecken zu müssen. Er traute der Angelegenheit nicht und fürchtete, seinen inneren Wecker nicht zu hören, unpünktlich zu erscheinen und dadurch mit einer Strafe rechnen zu müssen. Außerdem war er hungrig. Das Körbchen mit dem frisch aufgeschittenen Baguette stand in Armlänge vor ihm. Die Herrschaft war offensichtlich mit dem Abendessen fertig und saß sich schweigend gegenüber. „Viel haben sie sich nicht zu sagen“, schoss es Gregory durch den Kopf und wieder machte sein Magen auf sich aufmerksam. Gemäß des Mottos ‚Durst ist schlimmer als Heimweh’ griff er wie ein Bagger in das Körbchen und beförderte eine handvoll Weißbrotscheiben auf seinen Teller. Im selben Augenblick ereilte ihn das Bewusstsein, etwas falsch gemacht zu haben, denn strenge Blicke von links und rechts trafen ihn frontal. In Lichtgeschwindigkeit und mit der nötigen Contenance räumte er die Teller seiner Herrschaften vom Tisch und stellte sie auf den Beistelltisch unter der Luke. Dass die Luke eigentlich ‚Durchreiche’ genannt wird, hat Gregory mittlerweile kapiert. Auf der anderen Seite der Durchreiche stand Jan und erfragte per Zeichensprache, ob das Dessert zum Servieren fertig gemacht werden soll. Gregory nickte einfach und hoffte innerlich, dass dieses Kommando allgemeine Zustimmung findet. Jan hatte sich selbst übertroffen und eine ‚Mousse au chocolate’ mit feinsten Kokosraspeln und einem vergoldeten Pfefferminzblatt als Dekoration gezaubert. Er reichte Gregory die beiden Teller. Gregory schob die Glasscheibe der Durchreiche zur Seite und nahm sie, servierte sie, ging wieder zur Durchreiche, um die Scheibe wieder zu schließen und wollte sich gerade wieder seinem Weißbrot widmen, als er die mittlerweile geleerten Gläser seinen Herrschaften bemerkte. Ständig hatte er das Gefühl etwas falsch zu machen oder vergessen zu haben. Er war nie ganz bei der Sache und die Tatsache, für jeden Fehltritt hart bestraft werden zu können, belastete ihn außerdem. Seine Herrschaften waren nicht gerade das, was man unter dem Begriff
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