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Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Alfons Petzold
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Faust Scheiblechners pendelnd
zurückfiel, atmete Ferdinand Gruber nicht mehr.

Der
Kesselflicker
    Seit Stunden regnete es in unendlicher Fülle, so, als hätte
der Himmel alle Ströme der Erde aufgesogen und gäbe nun deren Gewässer
großmütig den Menschen zurück. Wie ein graues, langsam flutendes Meer
lag es über der Stadt.
    Franticek Steppan, ein sechszehnjähriger Kesselflicker, hatte
schon seinen mit vielen andersfärbigen Zeugflecken besetzten Rock
ausgezogen und über die Stücke mit den Blech- und Drahtwaren gebreitet.
Doch das Wasser sickerte auch durch den Rock und läuft an den kostbaren
Pfannen, Sieben, Schöpfkellen und Mausefallen herunter und macht dem
bösen Rost freie Bahn.
    Unterstellen will sich der Junge nicht. Es ist schon spät um
Nachmittag, und wegen des Regens hat er heute noch nichts verdient. So
zieht er denn auch noch seine mit Schafpelz gefütterte Ärmelweste aus
und deckt sie über den Rock. In kürzester Zeit ist er bis auf die Haut
naß, was ihm weniger Kummer macht, als die Sorge und sein Hab und Gut
auf dem Rücken.
    Unentwegt läuft er durch die menschenleeren Gassen und ruft
hie und da mit seiner schrillen Knabenstimme:
    "Heferl, Reindl, Pfanneflicker ise do!"
    Aber welche Hausfrau läßt bei solchem Wetter einen
schmutzigen, durchnäßten Kesselflicker in ihre reine Küche. Wenn die zu
Hause in der kleinen Slowakenortschaft des Trencziner Komitats wüßten,
wie sich der schwächliche Franticek abplagen muß, um die paar Kreuzer
für die Schlafstelle im Wiener Krowoten-Viertel und die Handvoll
Zwiebel für das tägliche Mahl zu verdienen, sie würden gewiß nicht alle
Wochen um Geld schreiben. Was nützt ihm die geweihte Kerze, die seine
Mutter an seinem Geburtstage vor dem Gnadenbilde von Maria Elend
brennen läßt, wenn er sich nie satt essen kann und bei solchem Wetter
herumlaufen muß, wie ein Stolch, ja wie ein richtiger, arbeitscheuer
Vagabund.
    Zitternd vor feuchter Kälte denkt er wehmütig an seine warme
Weste, die, hinter ihm über seine Blechschätze gebreitet, sich wie ein
Schwamm aufbläht und immer schwerer wird. Vom toten Vater hat er sie
bekommen. Der trug sie wohl an die zwanzig Jahre durch alle
österreichischen Länder westlich der Maros, und als er zum Sterben kam,
gab er sie mit einer Rolle Draht und einem Löteisen aus steirischen
Stahl seinem lieben Franticek. Und der Sohn mußte ihm heilig
versprechen, auch so ein tüchtiger und gern gesehener Kesselflicker zu
werden, wie es der alte Stefanic Steppan dreißig Jahre lang gewesen
ist.
    Es will nicht aufhören zu regnen. Manchmal weiß er nicht mehr,
von wo nur all das viele Wasser kommt. Es scheint nicht nur vom Himmel
herunterzustürzen, sondern auch aus den Wänden der Häuser links und
rechts hervorzubrechen, aus dem Pflaster herauszuquellen. Ja, sogar vor
sich sieht der arme Franticek ein grimmiges Heer Wassertropfen auf sich
einstürmen, so daß es ihm den Atem verlegt. Dann steht er auf einen
Augenblich in dem bösen Unwetter ratlos da und Tränen jugendlicher
Verzweiflung mischen sich mit den Regenperlen auf seinen mageren
Bubenwangen. Jetzt ist sogar das kleinwinzige Stück Brot in seiner
Hosentasche aufgeweicht, das er sich zum Nachtmahl aufheben wollte.
Traurig schiebt er die klebrige Masse in den Mund und würgt sie beim
Vorwärtskämpfen durch das Hundewetter mühsam hinunter.
    Einigemal kommt er in die Versuchung, im Torbogen eines der
Häuser Schutz zu suchen. Aber hier hat er erst vorgestern nach Arbeit
umgefragt und er muß trachten, in eine von ihm schon längere Zeit nicht
besuchte Gegend zu kommen.
    Endlich erreicht er die erste Gasse, wo er beginnen will,
seine Fertigkeit im Heilen kranker Töpfe, Kesserollen, Siebe und seine
guten Mausefallen und Drahtkörbe anzupreisen. Er tritt in das nächste
Haus, verpustet sich, schüttelt das Wasser wie ein Pudel von Hut und
Rückenlast und beginnt mit wenig Hoffnung im Herzen von Tür zu Tür sein
deutsch-slowakisches Sprüchel herzusagen.
    "Heferl, Reindl, Pfanneflicker ise do, gnädige Panni, schöne
Nudelsieb und Drahtkastel zum Mausfangen!" Er ist gerade im Begriff,
den zweiten Stock zu ersteigen, als ihm ein wütender Anruf von der
ersten Stufe wieder herunterreißt.
    "Krowotischer Saubinkel, werst net glei außi geh'n aus mein
Haus! Glaubst, i hab' dö Stieg'n für di g'weisigt? Schau nur, daß i dir
net mit mein Rüattelbesen Füaß mach', So a Gemeinerei!"
    Er wagt keine
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