Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Alfons Petzold
Vom Netzwerk:
Maschinen.
So verbarg Gruber um des lieben Friedens willen schlecht und recht
seine wahre Gesinnung vor dem Freund. Wenn nun Scheiblechner vor
Kameraden und Bekannten in den höchsten Tönen der Begeisterung von
seinen Dampfkesseln, Akkumulatoren, Motoren sprach, biß sich Gruber
voll unterdrückten Zornes und Schmerzes über die Arglosigkeit des
Anpreisers die Zähne ineinander, um nicht das Gegenteil
herau'szubrüllen. Und insgeheim wuchs in ihm eine große eisige Furcht
zur Gewißheit auf, daß da drinnen in dem roten Maschinenhaus Stahl und
Messing, Kupfer und Eisen, Riemen und Radwerk über sein und seines
Freundes Verderben in der Ruhe mancher Nacht nachsannen.
    Der Zeitpunkt der Kesselreinigung war herangekommen. Diese
dauerte von Samstag abends bis Montag früh. Während Gruber dem
kontrollierenden Ingenieur das einwandfreie Funktionieren der
Transmissionen und Sicherheitsvorrichtungen vorführen mußte, saß der
Maschinist in dem Fabriksgasthaus, verzehrte sein Nachtmahl, trank ein
Glas Wein und wartete auf seinen Freund, um dann nach vollständigem
Stillstand des Werkes die Feuer zu löschen und die Kessel zum Einstieg
bereitzumachen.
    Es waren nur mehr wenige Gäste zugegen, alles Arbeiter der
Fabrik, Junggesellen und einige leichte Brüder, die daheim Weib und
Kind auf den Wochenlohn warten ließen, weil es hier an den Samstagen
ein besonders süffiges Bier gab. Der Wirt, ein ehemaliger Werkmeister,
dem eine schwere Walze die Finger der rechten Hand zermalmt hatte,
zählte schon die Tageslosung zusammen, während Schank-bursche und
Kellnerjunge sich schläfrig in den dichten Tabakqualm hineinlehnten.
    Eben wollte sich Scheiblechner noch eine Virginierzigarre
bestellen, als die Tür aufprallte und Gruber wie hereingeschleudert
gegen einen Tisch anflog. Er sah fürchterchterlich aus. Die blaue
Zeugbluse hing ihm, mit dem heruntergerissenen Hemd zu einem Strick
verdreht, am Leibe herunter. Seine nackten Schultern, Brust und Rücken
sahen aus, als wären sie durch das schmutzigste Tropföl gezogen worden.
Das Gesicht fahlte leichenhaft unter dem wirren schwarzen Haarschopf
hervor, und die Augen waren die eines wütenden Hundes, der Wasser
sieht. Mit keuchendem Schreien kam es aus seiner stoßenden Brust:
»Jetzt hat s' mich endlich einmal erwischt, das verfluchte Luder. Ich
trete oben auf der Transmissionsbrücken, da ruft mich der Herr
Ingenieur; ich dreh mich um, und schon hat s' mich beim Frack, das
elendige eiserne Viech, dreht mich um die Scheiben, und nur weil der
Ingenieur gleich abgestellt hat, pick ich jetzt nicht als Fettfleck auf
der Mauer wie eine Heringsseel! Ich hab's ja immer g'wußt und g'sagt,
daß 's der scheinheilige Hundskrampen auf mich abg'sehn g'habt hat
    Erregt fiel ihm da der Maschinenwärter in die Rede: »FerdI,
was schimpfst denn auf die Maschin, du bist ja selbst schuld dran,
hätt'st aufg'paßt, hätt s' dich nicht erwischt!« Der Aufseher war irr
vor überstandener Todesangst und Wut; er spie seinen Freund an: »He,
was hast g'sagt, schuld soll ich sein? Ah, vielleicht hätt ich noch
dank schön sagn solln, wenn mich dein Sauwerkel hing'richt hätt! Mit
Dynamit soll s' in die Luft g'sprengt werden, das vermaledeite Biest!«
    »Du, Gruber, halt dich z'rück!«
    Mühsam gurgelte es Scheiblechner aus der von Empörung
gewürgten Kehle.
    »Ich mich z'rückhalten!« brüllte Gruber. »Ich mich
z'rückhalten, wo's um mein Leben gangen ist? Daß ich nicht lach! Und
wann jetzt der Direktor vor mir steht, sag ich ihm dasselbe. Natürlich,
du Schlürferl möcht's am liebsten deiner verdammten Maschin hinten
neinkriechen! Aber heut hab ich ihr's g'zeigt, dem graupign Mistvieh;
mit der Spitzhackn hab ich ihr die Schlitzaugn, die zwei Manometer, vom
Schädel g'haut!«
    Der Maschinist fühlte Feuer im Gehirn, heiß und rot schießt es
ihm in die Augen. Er taumelte nach vorn und stierte dem Gruber ins
Gesicht: »Was hast getan, was .. .?«
    »Deiner eisernen Geliebten den Hirnkasten eing'haut!«
    Scheiblechner spürte die Haare auf seinem Kopf brennen, und
sein Herz lag in glühender Lohe. Er sah seine Maschine, sein Werk
beschimpft, entehrt. Ein furchtbares Etwas, gegen das anzukämpfen er
nicht mehr die Kraft hatte, ballte ihm die Faust, riß sie in die Höhe
und ließ sie auf die Stirne des Schmähers fallen. Das Gesicht Grubers
höhnte noch einmal fratzenhaft auf, dann verschwand es mit dem Falle
eines schweren Körpers. Als die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher