Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Paul Verne
Vom Netzwerk:
verbreiten.
    Ich füge hier also nur hinzu, daß wir bei unserem Besuche der nordischen Alterthümer und des Rosenborgschlosses uns der unschätzbaren Begleitung des dänischen Unterrichtsministers, des Kanzlers Worsoë, zu erfreuen hatten, der als eigentlicher Organisator dieser wunderbaren Sammlungen zu betrachten ist. Dieser liebenswürdige Gelehrte hatte sich uns zur Verfügung gestellt, um uns die künstlerischen Schätze zu erklären, welche er mit dem Eifer eines für seine Wissenschaft ausschließlich lebenden Mannes gesammelt und geordnet hat. Unser Besuch in den Sälen, welche alle die Physiognomie ihres Zeitalters von der Renaissance bis zur Restauration tragen, erhielt durch seine faßlichen und gründlichen Erklärungen denn auch ein ganz außergewöhnliches Interesse.
    Kopenhagen, einst ein ganz einfacher Fischerhafen, den eine Veste gegen die Seeräuber des baltischen Meeres schützte, ist seit dem fünfzehnten Jahrhundert zur Hauptstadt der dänischen Monarchie geworden. Die Stadt zählt jetzt gegen zweimalhundertdreißigtausend Einwohner. Seit ihre Befestigungen geschleift worden sind, hat sie sich so schnell vergrößert, daß es den Anschein gewinnt, als sollte sie die ganze Bevölkerung Dänemarks aufsaugen.
    Es ist heutzutage eine moderne Stadt, in der man keine Spuren von den großen Bränden 1728 und 1736, oder von der Beschießung im Jahre 1808 mehr findet. Die neuen Stadtviertel mit ihren breiten Boulevards und den üppig grünen Parkanlagen mit reichlicher Bewässerung sehen wahrhaft stattlich aus. Das bekannte Tivoli, errichtet an der Stelle früherer Festungswerke, ist ein Etablissement, das auf der Erde nicht seines Gleichen hat. Es bildet den Sammelpunkt für Tausende, welche einen vergnügten Abend zu verbringen wünschen, und sein artistischer Director, B. Olsen, hat den Erfolg, der seine Bemühungen krönt, wohl verdient.
    Wer eine größere Festlichkeit, ein sogenanntes Storfest, im Tivoli mit angesehen hat, wird einen solchen Abend niemals vergessen. Der ganze große Garten ist dann von verschiedenfarbigen Lichteffecten überfluthet, Boote mit venetianischen Laternen schaukeln auf einem launisch gewundenen Gewässer; jedes Café, jedes Theater trägt zu dem bezaubernden Anblick des Ganzen bei; es ist wie ein Märchen aus tausend und einer Nacht, aus dem farbigen Orient nach dem nüchternen Norden versetzt, und ein nach den Plänen des französischen Architekten Le Nôtre hergestelltes Labyrinth hält den Besucher gegen seinen Willen gefangen, wenn diesem der leitende Ariadnefaden fehlt.
    Zwei ausgezeichnete Orchester lassen abwechselnd ihre ernsten und heiteren Weisen erschallen, Theater mit Ballet, Akrobaten mit mehr oder weniger hervorragenden Leistungen, Alles bietet verschiedenartige und jedem Geschmacke angepaßte Vergnügungen.
    Wer eine pfeilschnelle Fahrt liebt, dem bietet eine Rutschbahn mit drei abgerundeten Absätzen – und welche Absätze, vorzüglich der letzte! – für zehn Oere (11 1/2 Pfg.) eine halbe Minute Todesangst. Bei dem ersten Versuche, den man unternimmt, ist der kleine Wagen kaum weggerollt, wenn man schon seine Voreiligkeit bedauert. Bei dem ersten zu überwindenden Absatze möchte man noch herausspringen; bei dem zweiten denkt man an seine Familie, beim dritten aber ist die Gewalt der Fahrt eine so rapide, daß man jederzeit glaubt, der Waggon müsse aus dem Geleise springen, und daß man gern sofort noch sein Testament machte, wenn nicht gleich darauf ein kurzer Stoß der gefährlichen Lage ein Ende machte, der die Wageninsassen in die Arme eines kräftigen Mannes wirst. Man ist damit am Ziele.
    Der Leser glaubt vielleicht, daß man an einer solchen halsbrecherischen Fahrt genug habe. Fehlgeschossen. Man beginnt sie mit Vergnügen von Neuem.
XIII.
    Besonders bemerkenswerthe Gebäude besitzt Kopenhagen nicht. Die von Christian IX. in Backstein aufgeführte Börse zeigt ein eigenthümliches Gepräge und wird von einem, aus vier verschlungenen, phantastischen Ungeheuern gebildeten Thurm überragt.. Ferner wären zu erwähnen das Schloß Christiansborg, der Sitz des Reichstages; der Palast Amalienborg, im Geschmacke des 18. Jahrhunderts, worin die königliche Familie wohnt; das Nationaltheater an Kongens Nytorv, ein in jeder Hinsicht vortrefflicher Bau, und das Rosenborgschloß, erbaut 1607 in dem Parkgarten gleichen Namens.
    Neben der Kirche Unserer lieben Frau, deren Schiff mit dreizehn Marmorbildwerken Thorwaldsen’s, Christus und die zwölf Apostel,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher