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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen
Autoren: Paul Verne
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Lustig flatterten Hunderte von zarten Möven umher und strichen über das glänzende Wasser. Zahlreiche Segelschiffe lagen verankert und erwarteten das Aufspringen des Windes. Mehrere Dampfer, deren lange dunkle Rauchstreifen sich über den Horizont hinzogen, verriethen schon die Nähe eines großen Handelshafens.
    Gegen zehn Uhr beginnt Kopenhagen aus einem seinen Nebelschleier aufzutauchen und grüßend steigen die Thürme der Stadt, die umgebenden Wälder und endlich die Masten der im Hafen liegenden Schiffe empor. Der »Saint Michel« befand sich noch in einer Entfernung von zehn bis zwölf Seemeilen. Hier hat der Sund nur eine Tiefe von drei bis vier Faden. Ganz große Fahrzeuge und Kriegsschiffe, welche aus der Nord-in die Ostsee segeln, können denselben nicht passiren; sie müssen die Insel Seeland umschiffen und den Weg durch den großen oder kleinen Belt nehmen.
    Das Wasser des Meeres ist hier so klar und durchsichtig, daß man bequem den Grund sehen kann. Auf demselben bilden ganze Felder von grünen Algen einen dichten Teppich, von dem sich das hellere Grün der jüngsten Sprossen angenehm abhebt. Es ist wahrhaft entzückend, über die Reling gebeugt, den wechselnden Lichtreflexen dieser unterseeischen Vegetation zu folgen, welche je nach der Wassertiefe dunkler oder heller erscheint. Manchmal schnellt, erschreckt durch die Annäherung unserer Yacht, ein Fisch aus seinem Versteck auf und verräth sich durch einen zitternden Silberschimmer in der dunklen Tiefe, nach der er entflieht. Dann und wann schätzt man die Wassertiefe unter dem Kiel für so gering, daß man jeden Augenblick aufzulaufen fürchtet, doch beruht das nur auf einer, durch die merkwürdige Durchsichtigkeit des Wassers verursachten Augentäuschung.
    Inzwischen nähert sich die Yacht in rascher Fahrt dem Hafen; bald gleitet sie an befestigten Holmen vorüber, welche die Rhede beherrschen, und läßt das Seefort Tre Kroner (drei Kronen) links liegen. Gegen Mittag erreicht der. »Saint Michel«, nachdem er das auf der Rhede verankerte dänische Admiralschiff durch Hissen der Flagge begrüßt, den Handelshafen, gegenüber dem Kriegshafen, inmitten zahlreicher Passagierdampfer, welche einen regen Verkehr zwischen den Küstenorten Dänemarks und Schwedens unterhalten.
XII.
    Acht Tage lang blieb der »Saint Michel« an dieser Stelle und empfing unerwartet viel Besucher. Es mochte wohl zum ersten Male sein, daß man die Flagge einer französischen Yacht in diesem Wasserarme der Ostsee, der die Stadt in zwei ungleiche Hälften trennt, flattern sah. Unter Anderem stellten sich mehrere Journalisten an Bord ein und machten uns über das Land und die Volkssitten, wie über die fast unbegrenzte verfassungsmäßige Freiheit, welche hier herrscht, sehr interessante Mittheilungen. Wie schnell vergingen uns aber auch die nicht am Lande zugebrachten Stunden bei dem überaus lebhaften Verkehre dieses großen nordischen Hafens! Dampfschiffe für Passagierbeförderung nach allen Punkten der dänischen, schwedischen und norwegischen Küsten, Handelsfahrzeuge, welche unter vollen Segeln einlaufen oder sich von winzigen, aber starken Schleppern bugsiren lassen, Postschiffe, welche man zu jeder Stunde des Tages und der Nacht läuten hört – Alles vereinigt sich hier zu einer köstlichen Augenweide für Den, der einiges Interesse an dem Leben auf dem Meere, das die getrennten Völker so innig verbindet, bewahrt hat.
    Ich sehe, wie in Rotterdam, Amsterdam und Haag, hier davon ab, die Museen von Kopenhagen zu schildern; das haben schon Andere gethan, welche dazu mehr Fähigkeiten mitbrachten. Es erfordert eine gelehrtere Feder als die meinige, um dem Leser die in dem ethnographischen Museum enthaltenen Merkwürdigkeiten – eine einzig in der Welt dastehende Sammlung von chinesischen, japanischen, indianischen und grönländischen Curiositäten – zu schildern; ebenso wie die Schätze des »nordischen Museums«, die historische Sammlung des Rosenborgschlosses, welche bezüglich der Geschichte der Schmucksachen, Waffen, Möbeln u. s. w. da beginnen, wo die in dem ersteren aufhören, ferner die Meisterwerke des Thorwaldsen-Museums – ein umfängliches Grabdenkmal im etruskischen Styl, welches die gesammten Arbeiten des berühmten dänischen Bildhauers, dessen Namen es trägt, vereinigt. In meinem kurzen Berichte trachtete ich nur darnach, mich über weniger bekannte Punkte, vorzüglich über Wilhelmshaven, den Eiderkanal und den Kieler Busen ausführlich zu
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