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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Manu Ungefrohrn
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meine Hand fest und kaute auf den Innenseiten seiner Wangen, um die Tränen zu unterdrücken, die in seinen Augen schwammen.
      „Gwyn“, flüsterte ich und sah ihn an. „Ich sterbe erst beim Ritual auf dem Schloss! Noch ist mein Ende nicht gekommen.“
    Seine großen Augen waren voller Schmerz. „Was macht dich da so sicher?“
      „Er will mein Blut, Gwyn. Er will einmal meinen Körper gehabt haben, bevor ich gehe.“
      „Dieses Schwein!“ zischte mein Bruder voller Hass.
    Nun drückte ich seine Hand, beugte mich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf seine Wange.
    Als er mich wenig später den Kirchgang entlangführte, staunte ich über die Massen, die sich in die Kirche gezwängt hatten. So viele Dorfbewohner waren erschienen, um der vermeintlich adligen Hochzeit beizuwohnen.
    Ich hätte eine von ihnen sein können. Wie aufregend musste es sein, einer so pompösen Hochzeit beizuwohnen, wenn man selbst in der kärgsten Armut lebte?
      Ändere das, Gwyn! Wenn du König bist, musst du Rosewood unterstützen und ihnen alles geben, damit sie ein glückliches Leben haben können!
    Seine Hand drückte meinen Arm als Zeichen, dass er mich verstanden hatte.
    Mein Blick glitt von den Dorfbewohnern hin zu meinem Bräutigam, der vorne am Altar stand und auf mich wartete. Sein Gesicht verriet großes Staunen und eine widerwillige Bewunderung, wie mir schien.
    Als Gwydion und ich ihn erreichten, legte mein Bruder meine Hand in die Nathaniels, den ich nicht aus den Augen lassen konnte.
    Nicht, weil er umwerfend gutaussah – das tat er zweifellos – nein, wenn ich meinen Blick von ihm abrückte, würden meine Augen ohne Zweifel den Raum nach Emrys absuchen. Und ihn hier zu sehen wäre mein Untergang.
    Mein Bräutigam schluckte, als er meine Hand nahm. „Du bist wunderschön, Carys!“ flüsterte er, als wir uns dem Pfarrer zuwandten.
    Ich versuchte zu lächeln und ließ die Trauung wie durch Watte über mich ergehen. Ich vernahm keine deutlichen Worte und sagte an der richtigen Stelle Ja . Dann irgendwann war es vorbei und ich war Mrs. Nathaniel Hartscombe.
    In der Kutsche auf der Fahrt zurück zum Schloss raste mein Herz so sehr, dass ich Angst bekam.
      „Du bist ja ganz angespannt“, bemerkte Nathaniel leicht amüsiert.
      „Ich sterbe vor Aufregung“, platzte es aus mir heraus.
    Mein Ehemann zuckte bei diesen Worten zusammen und sah mich eindringlich an. „Wovor hast du Angst, Liebes?“
    Ich saß nah neben ihm und musterte ihn voller Argwohn. Schließlich holte ich tief Luft und antwortete:
      „Ich habe Angst vor dem Ritual.“
    Nathaniels Blick wurde weich und er griff nach meiner Hand. „Das kann ich verstehen, Liebes, schließlich bist du noch nie gebissen worden und nun werden alle sehen, wie ich dich vollkommen mein machen werde!“ Voller Mitgefühl sagte er:
      „Wenn du mich beißen würdest, Carys, dann würde für uns alles anders werden!“
    Ich näherte mich seinem Gesicht und sah ihn fragend an. „Wie meinst du das?“
    Nathaniel hob seine Hand und streichelte zärtlich meine Wange. „Du musst nicht sterben.“
      „Was meinst du damit?“ fragte ich verständnislos und spielte dumm.
    Er schüttelte kaum merklich den Kopf und schnalzte leise mit der Zunge. „Stell dich nicht dumm, Liebes! Du weißt, dass Pat dich opfern will.“
      „Pat will mich opfern?“ fragte ich mit hoher Stimme.
    Nathaniel lachte kalt auf. „Na, komm schon! Patricia hat Emrys erkannt – er ist ihr leiblicher Sohn, Carys. Und es gibt keinen Platz für euch beide in diesem Zirkel, daher wird einer sterben, ehe ihr beide euch versündigen könnt. Und sie wird sich kein zweites Mal für dich entscheiden, wenn du nicht ganz und gar mir gehörst.“
      „Was?“ fragte ich verwirrt.
      „Wenn du mich beißt und ich dich beiße, so sind wir bis in den Tod miteinander verbunden, Carys. Ich hätte die Macht über dich und Pat würde dich am Leben lassen und stattdessen Emrys töten.“
    Ich kniff die Augenbrauen zusammen. „Warum sollte ich wollen, dass du die Macht über mich hast, Nate?“
    Er stutzte. „Du wirst leben.“
      „Würdest du mich lieben, Nate, dann hättest du mir all das schon viel früher offenbart.“
      „Ich habe dich geliebt, Carys Olwyn, oh ja, das habe ich.“ Er zog mich nah an sich heran, so dass sich unsere Nasenspitzen berührten. In seinen Augen glomm ein Feuer. „Ich habe dich verehrt, ich habe dich all die Jahre so sehr geliebt, Carys! Ich wollte mit dir zusammen sein,
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