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Erwachen

Erwachen

Titel: Erwachen
Autoren: Manu Ungefrohrn
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mehr als alle anderen zusammen.
    Ceridwen sah mich fragend an und deutete mit dem Kopf auf mein Gegenüber, als ich mich neben sie an den Tisch setzte. Dort saß nämlich nicht Constance wie in all den Jahren zuvor, sondern Emrys hatte ihren Platz eingenommen. Katheryne hatte ihren Platz mit Gwydion getauscht, der saß nun neben seinem besten Freund Emrys.
    Ich zuckte die Achseln und setzte mich wortlos hin.
      „Wie ich sehe, herrscht eine andere Tischordnung“, bemerkte Mrs. Caughleigh und schmunzelte, während sie ihren Sohn anblickte. Dieser blickte stumm auf seinen Teller.
      „Ich habe Emrys angeraten, mehr Kontakt zu den anderen zu suchen“, bemerkte Gwydion mit einem süßen Lächeln im Gesicht.
    Emrys‘ Mutter lachte leise. „Da bin ich gespannt.“
    Ceridwen stupste mich an. „Freust du dich?“
    Verständnislos blickte ich sie an. „Worüber?“
    Sie schnalzte mit der Zunge. „Worauf, Carys, worauf! Na, wir gehen in den Wald! Wir können endlich ein paar Heilkräuter sammeln.“
    Erleichtert atmete ich auf, hatte ich schon geglaubt, sie habe meine kleine Schwäche für Emrys bemerkt.
     
    ∞∞∞

Es war die Nacht zu meinem fünfzehnten Geburtstag, als mein alter Alptraum mich nach so vielen Jahren wieder heimsuchte.
    Ich wand mich unter meinen Laken und versuchte, die grauen Affenhände abzuschütteln.
    Ich riss die Augen auf und blickte in das verzerrte Hellprintgesicht meines Vaters. Es waren seine Hände, seine grauen Hellprinthände, die sich meine Schenkel hinaufschoben, mein Nachthemd unterwanderten. Es war sein Speichel, der auf meine nackte Haut tropfte, sein heißer Atem, der mir widerlich ins Gesicht stieß.
    Ich begann, nach meiner Mutter zu schreien, doch sie kam nicht. Sie kam mir nicht zu Hilfe.
    Ich schrie und strampelte, wollte mich unter dem Gewicht meines Vaters fortwinden, doch ich schaffte es nicht.
    Plötzlich spürte ich Magie in mir und meine Hände begannen zu leuchten. Ich streckte sie meinem Vater entgegen und berührte sein Gesicht.
    Von Schmerzen gepeinigt schrie er auf. Dort, wo ich ihn berührte, verbrannte seine graue Haut und warf sich auf. Endlich ließ er von mir ab, brüllte mich an, ich sei eine Missgeburt.
    Schweißgebadet schreckte ich auf und atmete schwer. Nun verstand ich – endlich! Nun wusste ich, warum man mich fortgeschickt hatte!
    Meine Zimmertür glitt auf, und Emrys tapste schlaftrunken herein. Wortlos schlüpfte er zu mir unter die Decke und zog mich in seine Arme.
    Ich begann hemmungslos zu weinen und schmiegte mich an den Freund, der mir immer dann ein Freund war, wenn ich litt.
    Als irgendwann meine Tränen versiegt waren, schmiegte ich mich eng an Emrys, der ein grobes Hemd trug, das seine schlaksige Figur verhüllte.
    Ich vergrub meine Nase an seiner Brust und saugte gierig seinen unbeschreiblich köstlichen Körpergeruch ein. Ich hörte ihn verschlafen kichern, und im nächsten Augenblick schnarchte er leise und seine Atmung verriet, dass er eingeschlafen war.
    Ich mochte das.
     
    ∞∞∞

Als ich die Augen öffnete, blickte ich in die düsteren braunen Augen von Emrys.
    Wir lagen einander zugewandt, er hielt meine Hand, die zwischen uns auf dem Kopfkissen lag.
    Dies war der erste Morgen seit acht gemeinsamen Jahren, an dem ich neben ihm wach wurde. Niemals zuvor war er so lang geblieben, dass ich das erleben konnte.
    Nun hob er seine freie Hand und begann, eine meiner Haarsträhnen um seinen Finger zu wickeln, während er mich stumm ansah. Dann wickelte er mein Haar wieder ab und berührte ganz zart meine Schläfe. „Ich spüre, dass ich mich bald wandle“, flüsterte er. „Ich darf dich nicht mehr beschützen, Carys… zumindest nicht so.“ Er machte eine fließende Bewegung mit seiner Hand und legte sie schließlich auf unsere Hände zwischen uns.
      „Was bedeutet das?“ wisperte ich.
    Emrys verzog sein Gesicht und seufzte:
      „Dies war die letzte Nacht mit dir, Carys.“
    Ich versuchte die Tränen, die plötzlich in meinen Augen brannten, zu unterdrücken.
      „Du bist mir das Liebste hier“, raunte Emrys und versuchte zu lächeln. „Du bist so aufrichtig und kannst schweigen… Ich bin kein Mensch der Worte, Carys, das weißt du.“ Er ließ meine Hand los und schlang seine Arme um mich, zog mich auf sich. Seine Hand streichelte über meinen Kopf. „Atme, Carys!“ seufzte er und begann erneut, eine Strähne meines Haares um seinen Finger aufzuwickeln. „Dein Haar ist immer so schön weich…“, summte er mit
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