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Erst ich ein Stück, dann du - Hexengeschichten

Titel: Erst ich ein Stück, dann du - Hexengeschichten
Autoren: P Schröder
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Handtuch in den Wäschekorb. Sie schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus. Als sie sich ein wenig beruhigt hatte, ging sie in ihr Zimmer zurück, schloss diesmal aber sicherheitshalber die Tür ab und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Das Bild mit dem Bindfadenregen hatte ebenfalls Wasser aus Simons Tasse abgekriegt. Die lächelnde Frau im Vordergrund hatte nun ein zerlaufenes Auge und einem älteren Herrn, der sowieso schon so dünn und blass aussah, war der Schal weggeflossen. Florina malte ihm eine rote Nase. Er nickte ihr traurig zu und fing ganz fürchterlich an zu husten.

    „Sie müssen unbedingt zum Arzt gehen“, sagte Florina. „Sonst holen Sie sich noch eine Lungenentzündung. Es tut mir wirklich schrecklich leid, aber mein Bruder ist … ist … ist …“Sosehr sie sich auch den Kopf zermarterte, ihr wollte einfach kein passendes Schimpfwort einfallen. Da bemerkte sie, dass eins der jungen Kätzchen in der Rinnsteinpfütze ertrunken war.
     
    Tränen schossen in Florinas Augen.
    Neue Wut kochte in ihr hoch.
    Simon war so gemein!
    Immer ärgerte er sie.
    Und jetzt hatte er sogar
    ihr schönes Bild zerstört!

    Dabei hatte Florina ihm nichts getan! Eigentlich musste sie ihm mal so richtig eins auswischen. Vielleicht würde er dann Ruhe geben. Ach was! Das Beste wäre, wenn es ihn überhaupt nicht gäbe!
    „Hex! Hex!“, rief Florina und auf einmal hatte sie einen Zauberstab in der Hand. „Verflixt, verhext, verschwunden“, sagte sie, schwenkte den Stab hin und her und richtete seine Spitze schließlich in die Richtung, in der das Zimmer ihres Bruders lag.
     
    Florina kuschelte sich in ihre Plüschgiraffe. Sie bekam nicht mit, wie ihr Vater nach Hause kam. Und sie roch auch nicht den würzigen Pizzaduft, der schon bald darauf durch die Wohnung zog. „Florina!“, rief Herr Lorenz. „Simon! Essen ist fertig!“Doch auch das hörte Florina nicht. Erst als ihr Vater gegen ihre Tür klopfte und „Mach auf, Schätzchen! Bitte mach sofort auf!“rief, schreckte Florina hoch.
     
    Sie saß noch immer am Schreibtisch.
    Hatte sie das alles geträumt?
    „Bitte mach auf!“, rief Papa.
    „Simon ist verschwunden.“
    „Waaas?“, rief Florina erschrocken.

     
    Mit einem Satz war sie aufgesprungen. Sie hechtete zur Tür, drehte den Schlüssel herum und flog ihrem Vater in die Arme. „Aber wieso denn?“, stammelte sie. „Ich hab doch gar nichts gemacht.“
    „Natürlich nicht.“Herr Lorenz drückte sie an sich und ließ sie dann wieder auf den Boden hinunter. „Dein Bruder ist ganz von allein verschwunden. Wenn ich nur wüsste, was passiert ist“, murmelte er und raufte sich verzweifelt die Haare.
    „Was soll denn schon passiert sein?“, erwiderte Florina. „Simon ist bestimmt nur mal schnell rausgegangen. Bolzen mit den Nachbarjungs oder zum Kiosk, um sich Kaugummis zu kaufen.“
    Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht“, sagte er und deutete zum Fenster. „Der Regen ist inzwischen noch schlimmer geworden. Ich bin heilfroh, dass ich rechtzeitig wieder hier war.“

    „Dann ist er bestimmt zu Tobias rübergegangen“, meinte Florina. „Der hat eine Autorennbahn zum Geburtstag bekommen.“Außerdem war er Simons bester Freund und er wohnte auf derselben Etage, direkt gegenüber.
     
    „Da war ich schon“, sagte Herr Lorenz.
    „Tobias ist beim Handballtraining.“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Ich verstehe das nicht.
    Simon sagt doch sonst immer Bescheid.
    Und er wusste ja auch,
    dass es bald Essen gibt.“
     
    Florina konnte ihren Vater kaum anschauen. Er sah furchtbar verzweifelt aus. „Simon ist bestimmt nichts passiert“, krächzte sie. Es sollte Papa trösten, aber es hörte sich nicht wirklich überzeugt an. „Ihn kann ja wohl keiner aus der Wohnung geklaut haben“, fügte sie hinzu. „Und in Luft aufgelöst hat er sich garantiert auch nicht.“

    Oder doch?
    Plötzlich fiel Florina
    der blöde Hexenspruch ein.
    Hatte sie Simon etwa weggezaubert?
     
    „Ich werde ihn suchen“, sagte Herr Lorenz und zog sich sein Regenzeug wieder an. „Irgendwo muss er ja stecken. Vielleicht hast du recht, und er ist tatsächlich zum Kiosk gelaufen. Dort hat er sich dann untergestellt und wartet jetzt, dass der Regen nachlässt.“
     
    Florina nickte.
    So musste es sein.
    Hoffentlich!

    Nachdem Papa die Wohnung verlassen hatte, ging Florina in die Küche und sah nach, ob er den Backofen kleiner gestellt hatte. Sie lugte durch die Glasscheibe in der
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