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Ernten und Sterben (German Edition)

Ernten und Sterben (German Edition)

Titel: Ernten und Sterben (German Edition)
Autoren: Peter M Hetzel
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einfach nur peinlich. Da leben wir jahrelang in Frieden und Eintracht zusammen, und mit einem Mal bin ich so was wie die Hure Babylons. Jetzt hör mir mal gut zu, mein Freund, ich sag’s nur ein einziges Mal: Mein Herz gehört allein Ole Fuhlendorf. Und zwar nicht, weil er ein phantastisches Bier braut, sondern weil er ein richtiger Mann ist, der auch zu seinen animalischen Trieben steht. Er versteht mich zu nehmen …«, sagte Albertine überraschend klar und offen.
    »Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier sitzen, das war voll lästerlicher Namen und hatte sieben Häupter und zehn Hörner«, erwiderte Hubertus und verließ grübelnd das Haus. Also würde er auf einen gemeinsamen Abend verzichten und stattdessen arbeiten. Eine Schmorgurkenpfanne müsste ihm genügen, mehr gab seine Speisekammer nicht her. Die Beamten an der Polizeiabsperrung ließen ihn kommentarlos passieren, während er in einiger Entfernung ein paarmal den Auslöser von Spiegelreflexkameras hörte. Es störte ihn nicht im Geringsten.
    In seinem Haus wirkte alles unberührt, wenn man von seinem Schreibtisch und dem Computer absah, über den die Beamten sich hergemacht hatten. Hubertus war gespannt, ob der iMac sich noch hochfahren ließ. Also drückte er den Startknopf und ging in die Küche, um sich einen doppelten Korn zu genehmigen. Dann halbierte er die Schmorgurken, entkernte sie und schnitt alles in dicke Brocken. Die Zwiebeln wurden geschält und gewürfelt, die bereits geputzten Möhren in Scheiben geschnitten. So musste er alles bei Bedarf nur noch anbraten und mit etwas Brühe, Hackfleisch und saurer Sahne vervollständigen. Hubertus ärgerte sich oft, dass er von allen stets für einen Kopfmenschen gehalten wurde. Dabei liebte er einfaches, aber herzhaftes Essen, kannte jede Serie im Trash-Fernsehen und besaß sämtliche schicken Produkte der bekannten Kultfirma aus Cupertino. Er hatte sich nie ernsthaft Hoffnungen gemacht, mit Albertine ein Verhältnis beginnen zu können … Obwohl sie durchaus der Traum seiner nicht wenigen schlaflosen Nächte war.
    Am Schreibtisch checkte er zunächst seine E-Mails und rieb sich verwundert die Augen. Exakt zweihundertsiebenundfünfzig neue Nachrichten warteten in seinem Post-Eingangsordner. Die Hälfte mit dem unschönen Stichwort »Stornierung« in der Betreffzeile.
    »Klare Sache und damit hopp«, zitierte Hubertus Walter Kempowski, den er genauso sehr verehrte wie Albertine.
    Genau in diesem Moment meldete sich Egon-Erwin am Handy.
    »Hab jetzt keine Zeit«, rief Hubertus. »Ich hab alle Hände voll zu tun, meinen drohenden Bankrott abzuwenden. Was willst du denn? Es ist nichts passiert, außer … Ach egal, vergiss es!«
    Doch dann musste er sich minutenlang Egon-Erwins Gejammere anhören. Dieser hatte seinen Artikel dem Redaktionsleiter vorgelegt, der damit ziemlich unzufrieden war. Er wollte Fotos der Tatverdächtigen sehen und keine Archivaufnahmen vom letzten Schützenfest, auf denen Albertine zu bewundern war, wie sie sechs Bierkrüge auf einmal transportierte. Hubertus selbst hatte sich auf dem Schützenfest in eine viel zu kleine Uniform des Schützenvereins gequetscht und war bei dem Versuch, den Vogel abzuschießen, kläglich gescheitert. Immerhin hielt er wenigstens eine Waffe in der Hand. Die Schlagzeile lautete: »Ein Dorf dreht durch!«, aber das genügte dem Redaktionsleiter nicht.
    »Hallo! Bist du jetzt komplett durchgedreht, oder was willst du noch von mir?«, fuhr Hubertus Egon-Erwin an, um ihm endlich den Mund zu stopfen.
    »Morgen gebt ihr mir ein Interview und lasst euch von mir fotografieren. Vielleicht glättet das die Wogen bei der Landeszeitung. Ich habe Blaumilch nicht erreicht, er lehnt jede Stellungnahme ab. Sein Pressesprecher tut so, als wüsste er von nichts. Ich sag dir, die tappen komplett im Dunkeln. Mit jedem Tag nimmt der Druck zu, bis der Kessel explodiert. Wir müssen unbedingt herausfinden, wer die beiden Ermordeten waren, was sie hier gesucht haben, ob jemand sie noch lebend gesehen hat und, und, und …« In Wirklichkeit versuchte Egon-Erwin natürlich nur, seine Exklusiv-Story zu retten.
    »Ich denk darüber nach, wie wir Albertine dazu bringen können mitzuspielen«, antwortete Hubertus knapp und sachlich. »Ohne sie geht gar nichts. Im Übrigen wünsche ich mir meine dörfliche Idylle zurück. Diese wundervolle Vorhersehbarkeit des Alltags. Gutes Essen aus den Gärten und Feldern der Umgebung, Fleisch von glücklichen Rindern und
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