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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung
Autoren: Vanessa Dungs
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immer.
    In der nächsten Sekunde überkam mich ein eigenartiges Gefühl. Unerwartet. Mein Körper löste sich ganz automatisch von Lesley, es war wie ein Reflex, der durch dieses merkwürdige Empfinden ausgelöst wurde, das nun in meinem Kopf umherschwirrte. Als würde mein Unterbewusstsein eine Botschaft erhalten, sie aber erst preisgeben, wenn ich auch wirklich bereit dazu war. Was war das? Irgendetwas sagte mir, dass es etwas mit der Gabe meines Schöpfers zu tun hatte. Konnte es tatsächlich sein, dass ich Vincents Fähigkeit auf einmal steuern konnte?
    „Was hast du?“ Liz wirkte irritiert. Ich bedeutete ihr mit meiner erhobenen Hand, einen Moment zu warten.
    „Gib mir eine Minute“, entgegnete ich starr. Ich ließ mich auf dieses neuerliche Gefühl ein, weil ich fürchtete, es würde sonst wieder verwinden. Und eine Vision setzte abrupt ein. Sie flackerte vor meinem inneren Auge auf und trotzdem behielt ich das Hier und Jetzt im Blick. Wie war das auf einmal möglich?
    „Fantastisch“, stammelte ich wohl mehr zu mir selbst, während ich langsam, aber kontrolliert das Gesehene in mich aufnehmen konnte…

 
    Epilog – Glänzende Aussichten
     
     
    Als ich durch die tanzende und lachende Menge schritt, betrachtete ich die bunten, schillernden Kostüme. Sie waren überall um mich herum und in jenem Moment war ich ein Teil von ihnen. Ich konnte mich unauffällig anpassen und das, obwohl ich kaum etwas auf meine Tarnung geben musste. Selbst meine Augen würden mich nicht verraten, weil sogar das leuchtende Smaragdgrün meiner Iris unter den ganzen Verkleidungen verschwand. Jeder würde vermuten, dass ich farbige Kontaktlinsen trug. Ich hatte sogar selbst ein paar Menschen damit herumlaufen sehen. Mir sollte es recht sein, ich wollte einer von vielen sein. Anders als mein Engel. Sie fiel auch in dieser großen Menschenansammlung auf. Gott, wie schön sie doch war. Ihr weiches Haar umrandete die dunkle Maske, die mehr als die Hälfte ihres Gesichts verdeckte und trotzdem war ihr umwerfendes Antlitz nicht zu verstecken. Sie sah glücklich aus, als sie sich im Takt der Musik wiegte. Das ausladende Kleid passte sich ihren sanften Bewegungen an, es schwang hin und her wie eine lautlose Glocke. Und erst die Farbe. Sie war berauschend, ein tiefes und verführerisches Rot, das mehr als Leidenschaft bedeutete. Es hatte fast die Farbe von Vincents Rubinring, das hätte ihm gefallen; bei diesem Gedanken musste ich innerlich lächeln. Liz sah auf einmal zu mir herüber. Ihr Lachen war umwerfend, es musste doch allen Männern den Atem rauben – wie gut, dass ich nicht mehr atmen musste. In wenigen, aber großen Schritten war ich bei ihr.
    „Wie hübsch du bist…“
    „Vielen Dank.“ Sie schien durch meine Worte verlegen zu werden und ich konnte nicht begreifen, dass sie sich ihrer Wirkung manchmal immer noch nicht bewusst war. Vor allem jetzt. Ihr Outfit war nahezu perfekt an die alten Zeiten angelehnt, sie sah aus wie eine Comtesse, die sich auf einem Ball amüsierte, der scheinbar nur für sie veranstaltet wurde. Mir entgingen die vielen und vor allem musternden Blicke der männlichen Verehrer nicht. Es machte mir nichts aus, ich war der Mann an ihrer Seite und sie sollte diesen Abend genießen. Am besten alles um sich herum vergessen und sich wohl fühlen, und dafür wollte ich sorgen. Ich lehnte mich zu meinem Engel und ich spürte dieselbe Kälte, die meinen Körper einst zum Erstarren gebracht hatte. Für einen Sterblichen konnte dieses Gefühl nicht greifbar sein, aber für mich war es elektrisierend.
    „Ich fürchte, dass ich dich nicht viel länger hier herumlaufen lassen kann“, meine Worte waren nur ein sanftes Flüstern, das im Getümmel, welches um uns herum pulsierte, unterging. Doch nicht für sie. Ihr Kichern verriet mir, dass sie ganz genau verstanden hatte, was ich eben gesagt hatte.
    „Ist das so?“, fragte sie lachend.
    „Nicht, dass mich deine unzähligen Bewunderer stören würden“, antwortete ich spöttisch, „aber ich finde, dass wir noch etwas tun müssen, bevor die Sonne wieder aufgeht.“ Der Unterton in meiner Stimme war beabsichtigt, sollte sie ruhig wissen, dass ich etwas Unanständiges im Sinn hatte.
    „Wie darf ich das verstehen?“ Sie schenkte mir einen koketten Augenaufschlag. „Habe ich mich bloß für einen so kurzen Auftritt in Schale geworfen?“
    Ich schüttelte energisch den Kopf. „Ganz und gar nicht…“Meine Hand ergriff ihre, noch ehe sie etwas darauf erwidern
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