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Erlösung

Erlösung

Titel: Erlösung
Autoren: Vanessa Dungs
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ich auf einmal imstande war, gleich zwei Fähigkeiten aufzunehmen. Vielleicht würde ich irgendwann verstehen können, wie so etwas überhaupt möglich war. Eigentlich konnte ich immer noch nicht so recht begreifen, dass ich zu den auserwählten Vampiren gehören sollte, die besondere Eigenschaften besaßen. Lesleys Körper zuckte für einen winzigen Augenblick und alle meine Sinne stellten sich automatisch wieder auf sie ein. Ich hob den Kopf, um sie zu betrachten. Sie schlief und ihr gleichmäßiger Atem klang wieder einmal beruhigend in meinen Ohren. Alles an ihr wirkte entspannt und zufrieden, weil sie momentan keine Schmerzen zu haben schien. Weil sie glücklicherweise nichts von dem ahnte, was ich bereits wusste. Ich seufzte. Mein Verstand hatte das drohende Schicksal anscheinend schon akzeptiert, wo hingegen mein Herz nicht bereit dazu war. Unter Umständen war das auch keine wirkliche Voraussage gewesen, versuchte ich mir selbst einzureden. Vielleicht würde das gar nicht passieren…
    Von wegen, fiel meinem Gewissen ein. Vincent hatte mir anfangs gesagt, dass es bisher nicht ein einziges Mal vorgekommen war, dass er sich getäuscht hatte. Alles, was er vorhergesehen hatte, war letztendlich auch so eingetreten. Trotzdem musste das nicht bedeuten, dass es bei mir ebenso war. Mir war es ja noch nicht einmal möglich, diese Visionen in meinem Kopf zu steuern. Wer wusste schon, ob ich ebenso in die Zukunft schauen konnte wie mein Schöpfer. Da ich nicht untätig herumsitzen und abwarten würde, musste ich einfach nur vorausschauend dafür sorgen, dass ich mich irrte und Vincent in meinem Fall falsch lag. Ich würde mich darum kümmern und es war mir gleich, was ich dafür schlussendlich tun musste. Notfalls würde ich mich von meinem Engel fernhalten, um sie nicht zu verletzen.
    Ich schob die düsteren Gedanken beiseite und legte meine Hand auf Lizs Arm. Blut strömte durch ihre Adern, es pulsierte geradezu unter meinen Fingern und ich mochte es, das Leben in ihr zu spüren, wie ihr Herz in einem gleichmäßigen Rhythmus pochte. So wie es sein sollte. So, wie ich es liebte.
    „Nicholas?“ Lesleys zarte Stimme klang verschlafen. Ich sah in ihre tiefblauen Augen.
    „Ist alles okay, mein Engel?“ Verwirrung lag in ihrem Blick.
    Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. „Das sollte ich wohl besser dich fragen…“ Sie streckte mir ihre schlanken Finger entgegen und sie berührte meine Schläfe. „Deine Augen funkeln mich geradezu an, aber so eine Schattierung kenne ich noch gar nicht. Sie wirken, als hätten sie etwas Furchtbares gesehen.“
    Das haben sie. „Ich dachte nur darüber nach, wie ungern ich dich allein lasse.“ Das war zumindest keine Lüge.
    Sie lächelte. „Ich werde ja nicht allein sein, Nicholas. Obwohl ich natürlich nicht will, dass du gehst!“
    „Das will ich auch nicht, aber mir bleibt keine Wahl.“ Ihre Hand streifte meine Wange. „Wann wird dich dein Vater abholen?“
    Ihr Lächeln verschwand wieder. „Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, dann geht das schnell. Er wird nur mit dem Finger schnipsen und seiner Aufforderung wird unverzüglich Folge geleistet.“
    „Du bist in deinem Haus gut aufgehoben, es ist komfortabler als jede Krankenhaussuite und Newton wird sich rührend um dich kümmern“, ich zwinkerte, in der Hoffnung sie aufzuheitern, aber ihre Miene blieb unverändert.
    „Wahrscheinlich. Ich wünschte nur, du könntest bleiben. Was glaubst du, wie lange es noch dauern wird, bis du aufbrichst?“
    Ich zuckte mit den Schultern. „Vincent wird sich melden und egal wann, es wird zu früh sein.“
    „Du sollst nicht kämpfen! Ach, ich wünschte, das würde alles endlich vorbei sein. Wieso kann es nicht vorüber sein?“ Sie seufzte. „Böse Vampire, gute Vampire, und wir Menschen mittendrin, ohne etwas zu ahnen. Ich glaube, das Ganze übersteigt so langsam meinen Verstand.“
    „Alles wird sich irgendwie fügen. Es muss, vertrau mir.“ Ich versuchte ihre und auch meine trübe Stimmung verschwinden zu lassen, was mir kaum gelang. Innerlich stöhnte ich auf. Als wären Lizs Schmerzen, die dieser Tumor in ihrem Kopf verursachte, nicht schon grausam genug, es tobte auch noch ein verheerender Kampf zwischen den Ältesten und abtrünnig gewordenen Vampiren, die aus dem Boden schossen wie überflüssiges Unkraut. Ob ich wollte oder nicht, ich war ein Teil davon und ich musste meinen Beitrag leisten.
    Unter normalen Umständen wäre das meine einzige Aufgabe gewesen und ich
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