Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers
Autoren: Adam Karillon
Vom Netzwerk:
können? Vergessen aber habe ich das Orakel nie ganz und zuweilen, wenn ich in Seenot war, wie im chinesischen Meere und auf der Ostsee, da war es mir so, als ob nun der Augenblick gekommen sein müsse, wo mein Geschick sich erfüllen werde. Seit Pius IX. durch sein einfaches Weiterleben die uralte Weissagung, daß kein Papst so lange regieren werde wie Petrus der Apostel, zuschanden gemacht hat, sollte die Menschheit vom Glauben an Weissagungen befreit sein. Freilich dieser Pius feierte sein Jubiläum erst später, als ich schon ums Glauben gekommen war.
    War mir die Unterhaltung der Spinnerinnen zuweilen nicht interessant genug, so schlief ich, den Kopf wider die Wand gelehnt, wohl auch einmal ein Stückchen, oder ließ mir von meinem zwei Jahre älteren Bruder Nikolaus Kartoffelhostien in den Mund stecken. O, diese Seelenspeise der armen Leute, wie köstlich warnicht ihr Geschmack und wie leicht waren sie nicht herzustellen! Kleine Scheiben wurden von den rohen Knollen heruntergeschnitten, mit der Zunge beleckt und an den heißen Ofen geklebt. Sie piepsten ein bißchen wie junge Mäuse, fielen dann ab und waren zum Genusse fertig.
    Merkwürdig, daß ich zum Schlafen niemals in mein Bettchen wollte. In meiner Ecke hinterm Ofen war mir die Welt gut genug. Hier schlief sich's fein. Hier konnte man auch so herrlich spielen mit dem Bügeleisen, das je nachdem einen Schuh, eine Hundehütte oder eine Kanone vorzustellen hatte. Ja, die Dinge sind immer das, was wir Menschen in sie hineindenken, und wer einen Stall für einen Palast ansieht, der wohnt so vornehm wie ein König und kann, wenn er will, sich einbilden, daß er mit einer Schneiderelle die Welt regiere. Schade, daß wir wachsen müssen und auch geistig nicht Kinder bleiben, so wie die Schafhüter etwa, von denen Heine singt: »König ist der Hirtenknabe.«
    Mit meinem Größerwerden hatten leider auch meine guten Tage ein Ende. Ich bekam Hosen und mußte mich nun vorschriftsmäßig schämen, wenn mich die großen Schulmädchen auf die Arme nahmen oder gar küßten, obwohl ich eigentlich beides gut leiden mochte.
    Getragen wurde ich zwar manchmal noch, und zwar, wenn die Zeit gekommen war, wo man den ausgereiften Kohl in die Krautsteine trat. Da dies Geschäft fast gleichzeitig an einem Tage in all den Nachbarhäusern einsetzte, so bekam ich die Füße gewaschen und wurde,damit sie nicht wieder schmutzig wurden, von Keller zu Keller getragen, um in den Steinen zu tanzen. Späterhin, als ich mich durchs Blasbalgtreten am Kirchengesang beteiligte und beim Aveläuten an den Strängen zog, lehnte ich das Krautgeschäft als unter meiner Würde dankend ab.

Ein Himbeererlebnis

    n den gleichen Jahren wird es wohl gewesen sein, daß meine Frankfurter Großmutter zur Sommerszeit in unserm Hause verweilte. Ihre stattliche Figur und modische Kleidung machten auf mich, das Landkind, einen gewaltigen Eindruck. Ich verehrte sie wie ein Wesen aus einer andern Welt und wollte ihr, soweit ich nur konnte, gefällig sein. Ich hatte die Vorstellung, daß sie so ganz etwas Apartes sei, so nicht das, was die Großmütter meiner Schulkameraden waren, mit denen man sich herumzanken konnte, wenn sie einem einmal irgendeinen Auftrag gegeben hatten, der einem nicht paßte. Nein, ich hätte nicht gewagt, meiner Großmutter auch nur im geringsten zu widersprechen.
    Als sie mir nun eines Tages nahegelegt hatte, in den Wald zu gehen und für sie Himbeeren zu suchen, so tat ich dies ohne Widerrede, obwohl ich nicht recht wußte, wo ich diese aromatischen Leckerbissen auftreiben sollte.Den irdenen Topf in den vorderen Knopf meiner Hosen gehängt, schritt ich barhäuptig und barfüßig die Kirchhohl herunter, fest überzeugt, daß irgendwo im Walde meiner vornehmen Großmutter zuliebe Himbeeren von den Weißdornhecken herunterhängen müßten. Als ich vors Dorf kam und an eine Stelle, wo die Wege sich gabelten, wurde ich schon etwas unsicher in meinem Urteil. Zum Glück weidete da nun gerade der Sohn eines Wilddiebes seine Geißen im Wiesental. Dieser Knabe, der, wie ich wußte, seinen Vater auf seinen verbotenen Wegen zu begleiten pflegte, war für mich an der richtigen Stelle der richtige Wegweiser. Ich holte mir Rat bei ihm, und er gab mir die Auskunft: »Geh nur ans Fuchsloch. Links unter der Chaussee, dort, wo der Pfad nach Weiher in den Buchenwald einbiegt, an einer Steinrossel, die gegen's Kreidacher Feld hinunterhängt, zwischen einem Ahornbusch und einer Schäferhütte, dort wachsen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher