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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers
Autoren: Adam Karillon
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man ihm die bessere Abstammung noch immer ansah, trotzdem daß hier und da der Kanapeeüberzug gestopft war und der eine oder der andere Fauteuil auf drei Beinen stand. Wo die Frankfurter Großmutter herstammte, weiß ich nicht. Ich habe nur manchmal sagen hören, sie sei aus der Wetterau gewesen und von Talern entsprossen, aber von solchen, die zu Kreuzern geworden wären. Wie dem auch sei, der Schluß ist zulässig, daß mein Urgroßvater ledig oder als Witwer aus Frankreich nach Frankfurt kam und in der Stadt selber oder ihrer nächsten Umgebung seßhaft wurde und heiratete.
    Gründete die eine Wurzel meines Stammbaumes in französischer Erde, so stak die andere um so tiefer in deutschem Boden. Mein Großvater mütterlicherseits besaß zu Hartenrod im Odenwald ein schönesBauerngut, das er mit zähem Fleiß selber bewirtschaftete, bis er noch ein zweites hinzubekam in dem Nachbardorf Aschbach. Meine arme Mutter war leider bei dem geldstolzen Hofbauern in Ungnade gefallen, weil sie ohne die väterliche Einwilligung sich an einen hergelaufenen Federfuchser – meinen Vater eben – weggeworfen hatte. Lange und schwer genug trug sie an dem ungerechten Zorn und ich glaube, eine förmliche Aussöhnung hat sie überhaupt nicht erlebt, da erst nach ihrem Tode herbe Schicksalsschläge den zähen Bauern mürbe machten. Die Gräber von Vater und Tochter lagen übrigens auf dem Waldmichelbacher Kirchhof nicht weit auseinander, und wenn ich den Alten in »Adams Großvater« sein Kind viele Jahre überleben ließ, so geschah dies mit poetischer Freiheit und zwar aus künstlerischen Gründen.
    Eine »orewällische« Großmutter werde ich wohl auch einmal besessen haben. Sie muß aber lange vor meiner Geburt gestorben sein, denn ich habe nie über sie sprechen hören. Vielleicht aber war dem nur deshalb so, weil in jenen patriarchalischen Zeiten neben dem Bauern die Bäuerin eine nur ganz untergeordnete Rolle spielte.
    Eigentlich hätten nun meine Frankfurter Großmutter und der »orewällische« Großvater als Überbleibsel einer entschwundenen Zeit etwas füreinander empfinden können. Dem war aber nicht so. Sie haßten sich, wie das Feuer das Wasser haßt. Sie waren beide zu selbstherrliche Naturen, als daß eines dem andern das geringste Zugeständnis gemacht hätte, und wie der Bauer meinen Vater nicht als vollwertig hinnahm, so betrachtete hinwiederdie Großstädterin meine Mutter als ein inferiores Landgewächs. Da meine beiden Ahnen klug genug waren, sich aus dem Wege zu gehen, so ist es zu einem Haarausreißen und Gesichtzerkratzen nie gekommen, obwohl ich überzeugt bin, daß die Großmutter im Ringkampfe ihren Mann gestellt hätte. Mir wenigstens hat sich ihre schlagfertige Energie einmal im hellsten Lichte gezeigt, wie der Leser späterhin sehen wird.
    Nachdem ich somit über meine Abstammung kurz berichtet habe, will ich fortfahren, über mich selbst zu schreiben.
    Ob's bei meiner Kindtaufe hoch hergegangen ist, darüber habe ich nichts erfahren können. Ich nehme aber an, daß es an dem landesüblichen Schüsselkäs nicht gefehlt haben wird, da mein Pate der Sohn eines dazumal noch gutstehenden Hofbauers war und wie herkömmlich für den Schmaus zu sorgen hatte. Für mein weiteres Fortkommen sorgten dann neben meiner Mutter noch zwei Kühe, die wir in einem Stalle neben der Schulstube stehen hatten, so daß sie da gelegentlich in den Unterricht mit hineinreden konnten. Auch an Eiern dürfte es nicht gefehlt haben, denn ich kann mir unsern Garten gar nicht anders vorstellen, als daß sich Hühner darin herumtrieben und nach den Erbsenschoten hüpften, die über schwankes Reisig herunterhingen. Im Schatten dieser Hülsenfrucht müssen viele Tage meiner Kindheit friedlich, verlaufen sein, denn ich wurde dort zum Schlafen hingelegt.
    Ist diese Paradieseserinnerung nur die einzige, die ichmir bis ins Greisenalter herein bewahrt habe? Nein, ich habe eine weitere, die wohl in mein drittes oder viertes Lebensjahr zurückreichen mag, soweit zurück, daß es für den oberflächlichen Beschauer noch nicht feststand, ob ich ein Bub oder Mädchen sein sollte. Ich weiß ganz genau, ich trug noch die weißen Haare lang und einen gewürfelten Mädchenrock und ging an der Hand meiner Mutter nach Gadern zu einem Kindtaufsschmause. Eine Zeitlang wird es mir wohl im Kreise der kaffeetrinkenden Menschen gefallen haben. Als ich mich aber am Kuchen satt gegessen hatte, wurde es mir langweilig, und ich fing an zu nengern und meine Mutter
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