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Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn
Autoren: Oliver Hassencamp
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vierhundertelf zu Abend, Paillard vom Rost mit Salaten, ohne Pommes frites und endlich allein. Von einem elektrischen Rhythmenspender begleitet, fütterte der diensthabende Zithervirtuose die Esser mit Folklore von Alpen und Anden. Nach dem Essen verlangte der Gast von vierhundertelf die Rechnung, trat, bis sie ausgeschrieben war, vor die Tür, entschloß sich zu einem Spaziergang, holte seinen Mantel, bezahlte inklusive Frühstück des nächsten Tages und ging durch Straßen und Gassen, noch einmal an dem renovierten Palais mit der bunten Fassade vorbei, und zweimal an Daniela, die von Plakatwänden auf ihn herabsah. Ein ruhiger Ausklang nach zu ereignisreichen Tagen. Ab morgen wieder geregelte Faulheit. Das heißt zuerst Arbeit, aber dann... Die innere Abreise war so gut wie beendet. Tief atmete er durch.
    Morgen wird Andrea wohl aus der Klinik entlassen werden. Es soll ja alles in Ordnung sein. Bei ihrer Mentalität wird sie rasch drüber wegkommen. Er hat ihr ja gesagt, daß er irgendwann plötzlich wird abreisen müssen.
    Nicht schon wieder drandenken!
    Bei Kathi brannte Licht. Mit bläulichem Schimmer wie hinter den meisten Fenstern um diese Zeit. Sekunden nach dem Klingeln summte der Türöffner. Als Lukas aus dem Lift trat, stand sie auf dem Flur.
    »Ich möchte mich nur verabschieden, Kathi.«
    »Ja, Herr Dornberg, so ein Überraschung.«
    Sie bat ihn herein, Bazi flog ihm auf die Schulter und verkündete, Fraule kommt gleich! während Fraule dem alten Ufa-Film den Ton wegdrehte, hinter der spanischen Wand (die Zimmer und Kochecke trennt) verschwand, und mit einer Schnapsflasche und zwei Gläsern wieder zum Vorschein kam.
    »Jetzt bin ich doppelt froh, daß ich abgesagt hab. Eigentlich sollt ich bei Müller-Passavant helfen heute abend. Doch die Füße! Wir kriegen anderes fetter. Aber daß Sie nicht dort sind, Herr Dornberg?«
    »Ich fliege morgen. Sehr, sehr früh.«
    »Ja dann. Das versteh’ ich.«
    Lukas sah ihr an, daß sie verstand, was sie verstehen wollte. Er kam auf die beiden Wolfgange zu sprechen, bat zu grüßen; die finanzielle Seite werde Daniela erledigen. Das sei aber nicht nötig, sagte sie und er sagte, das sei nötig.
    »Und wie hat’s Ihnen gefallen im großen und ganzen?«
    »Gut. Etwas anstrengend. Jetzt freue ich mich auf zu Hause. muß auch wieder arbeiten und meine Ordnung haben. Ja, Kathi, ich bin ein Spießbürger geworden und für ein unstetes Leben nicht mehr zu gebrauchen.«
    Ihre Barockputtenbackchen hoben sich.
    »Ich weiß nicht so recht. Den Eindruck machen Sie eigentlich nicht.« Er wollte >doch, doch< sagen, aber sie hatte Wichtigeres parat, das sie nicht langer für sich behalten konnte.
    »Sie sollten wieder heiraten, Herr Dornberg! Ein Mann wie Sie, in den besten Jahren, kann nicht allein leben. Wenn ich das sagen darf.« Sie deutete auf den Bildschirm, wo Karl-Ludwig Diehl und Olga Tschechowa zu einer Kutsche gingen. »Sehen Sie, die sind auch zu zweit.«
    Bei wechselnden Großaufnahmen verabschiedete sich der Schwarm einer Generation und Lukas folgte seinem Beispiel.
    »Möchten Sie nicht wieder zu uns kommen?« fragte Kathi am Lift. Er schüttelte den Kopf.
    »Aber Sie würde ich gern mitnehmen!«
    Da lachte die rundliche Güte, und Bazi auf ihrem Arm machte die Sache perfekt:
    »Fraule kommt gleich.«
    Zum letzten Male schaufelte der Drehtüroffizier mit der bestickten Mütze den Gast von vierhundertelf in die Halle. Ein nicht olivhäutiger Page geht um mit der Monstranz der Telefonzentrale: Doktor Weber wird gesucht.
    So voll wie heute war die Halle selten. Überall lächeln Erfolgsgesichter, durch Branchendenken einander ähnlich. Daneben nehmen sich die Besucher des Nachtclubs im Untergeschoß wie Zoobewohner aus. Ihr Aufzug ist wahrhaft international; bei der Weiblichkeit mit Betonung Asiens. Hier heute abend noch aufzufallen kommt einem Kunststück gleich. Dem Zulauf nach steht eine Attraktion bevor. Vielleicht eine Sängerin mit Stimme oder eine Figur mit Mikrofon.
    Gewohnheitsmäßig greift der Portier nach dem Schlüssel von vierhundertelf, doch der Gast winkt ab, sagt nur, wann er morgen früh geweckt werden will und geht in die Bar, wo er die innere Abreise mit einem Port and Brandy krönt.
    Ein Erfolgsgesicht wendet sich ihm zu, ein Gesicht, das auf einen Korken gehört, denn es paßte prächtig in die Sammlung irischer Bottletops , die ein Freund besitzt. auch von Donicke hat er etwas, der Erfolgsgesichtige, der sehr mitteilungsbedürftig ist. Man
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