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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Autoren: Katharina II. von Rußland
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er schon von Kindheit an stets jedem Unterricht abgeneigt war, habe ich von seiner Umgebung sagen hören, daß man in Kiel die größte Mühe gehabt, ihn an Sonn- und Festtagen in die Kirche zu führen, sowie ihn die Pflichten der Andachtsübungen erfüllen zu lassen. Auch bei Simon Theodorski soll er sich durch Mangel an religiösem Gefühl ausgezeichnet haben. Besonders aber war Seine kaiserliche Hoheit darauf bedacht, über jeden Punkt zu streiten, und oft wurde seine Umgebung herbeigerufen, um den heftigen Zänkereien ein Ende zu machen, oder sie zu mildern. Endlich, nach vielen Verdrießlichkeiten, unterwarf er sich dem Willen seiner Tante, obgleich er, sei es nun aus Vorurteil, Gewohnheit oder Widerspruchsgeist, oft merken ließ, daß es ihm lieber wäre, nach Schweden zu gehen, als in Rußland zu bleiben. Er behielt Brummer, Berkholz und seine holsteinische Umgebung bis zu seiner Verheiratung bei sich. Nur der Form halber hatte man ihm noch einige andere Lehrer beigegeben: Isaak Wessedowski für die russische Sprache, der indes zuerst sehr selten und später gar nicht mehr kam, ferner Professor Stehlein, der ihn Mathematik und Geschichte lehren sollte, im Grunde aber mit ihm spielte und ihm als Hanswurst diente. Der fleißigste Lehrer war der Balletmeister Laudé, der ihn das Tanzen lehrte.
    In seinen inneren Gemächern beschäftigte sich der Großfürst anfangs mit nichts anderem, als ein paar Bediente, die ihm als Kammerdiener beigegeben waren, exerzieren zu lassen. Er gab ihnen Grad und Rang und degradierte sie nach Belieben. Es war die reinste Kinderei. Ueberhaupt war er sehr kindisch, obgleich er schon sechzehn Jahre zählte.
    Am 9. Februar des Jahres 1744, als der russische Hof in Moskau war, kam ich mit meiner Mutter dort an. Der russische Hof war damals in zwei große Parteien gespalten. An der Spitze der einen, die sich aus ihrem Verfall zu erheben begann, stand der Vizekanzler Graf Bestuscheff-Rjumin. Er wurde weit mehr gefürchtet als geliebt, war ein äußerst intriganter und argwöhnischer Mensch, fest und unerschrocken in seinen Grundsätzen, ziemlich tyrannisch, ein unversöhnlicher Feind, aber Freund seiner Freunde, die er nur verließ, wenn sie selbst ihm den Rücken kehrten; übrigens schwierig im Umgang und oft kleinlich. Er stand an der Spitze der auswärtigen Angelegenheiten. Da er die Umgebung der Kaiserin zu bekämpfen hatte, war er vor der Reise nach Moskau ein wenig im Nachteile, begann sich aber bald zu erheben. Er hielt es mit den Höfen von Wien, Sachsen und England, und meine und meiner Mutter Ankunft war ihm daher nicht angenehm, denn sie war das geheime Werk der ihm feindlich gesinnten Partei. Obgleich die Feinde des Grafen Bestuscheff sehr zahlreich waren, so zitterten doch alle vor ihm. Er hatte vor ihnen den Vorteil seiner Stellung und seines Charakters voraus, der ihn weit über die Politiker der Vorzimmer erhob.
    Die Bestuscheff entgegengesetzte Partei stand auf seiten Frankreichs, seines Schützlings Schweden und des Königs von Preußen. Der Marquis de La Chétardie war ihre Seele, und die von Holstein gekommenen Hofleute waren ihre Matadore. Sie hatten Lestocq, einer der Hauptbeteiligten an der Revolution, welcher die Kaiserin Elisabeth auf den russischen Thron gebracht hatte, für sich gewonnen, und dieser war einer der ersten Vertrauten der Kaiserin. Seit dem Tode der Kaiserin Katharina I. war er Elisabeths Leibarzt gewesen, hatte der Mutter sowie der Tochter große Dienste geleistet, und es fehlte ihm weder an Geist, noch Schlauheit und Intrige, aber er war schlecht und von finsterem und bösem Charakter. Alle jene Fremden unterstützten diese Partei und drängten besonders den Grafen Michael Woronzow vor, der ebenfalls an der Revolution teilgenommen und Elisabeth in der Nacht, als sie den Thron bestieg, begleitet hatte. Sie hatte ihm die Nichte der Kaiserin Katharina I., Gräfin Anna Karlowna Skawronski, zur Frau gegeben, welche in der Nähe der Kaiserin Elisabeth erzogen und ihr sehr ergeben war. Auch Graf Alexander Rumianzoff, der Vater des Marschalls, stand auf seiten dieser Partei. Er hatte den Frieden von Abo mit Schweden unterzeichnet, einen Frieden, bei dem Bestuscheff wenig zu Rate gezogen worden war. Außerdem zählten sie den Generalprokurator Trubetzkoi, sowie die ganze Familie dieses Namens und folglich auch den Prinzen von Hessen-Homburg, der eine Prinzessin Trubetzkoi geheiratet hatte, zu ihren Anhängern. Obgleich damals sehr angesehen, war der Prinz
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