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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens
Autoren: Nora Roberts
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eigenen Worte sein.« Ungeduldig wehrte sie mit der Hand seinen Protestversuch ab. Er merkte, dass ihr Entschluss bereits feststand. »Paul, ganz objektiv, was hältst du von Julia Summers beruflichen Fähigkeiten?«
    »Was sie anpackt, macht sie gut. Vielleicht zu gut.« Der Gedanke war ihm unbehaglich. »Du hast es doch nicht nötig, Eve, dich auf diese Weise der öffentlichen Neugier auszusetzen. Du brauchst weder das Geld noch die Publicity.«
    »Mein lieber Junge, deswegen will ich es ja auch nicht machen. Es geht mir dabei, wie bei fast allem in meinem Leben, um meine eigene Befriedigung, meine Selbstverwirklichung.« Sie blickte zu ihrer Agentin hinüber. Sie kannte Maggie gut genug, um sofort zu merken, dass sie bereits angebissen hatte. »Ruf ihre Agentur an«, sagte Eve. »Mach die Sache klar. Ich gebe dir eine Liste mit den Bedingungen, die ich stelle.« Sie stand auf und küsste Paul auf die Wange. »Mach kein so mürrisches Gesicht. Du kannst dich darauf verlassen, dass ich genau weiß, was ich tue.«
    Selbstbewußt, mit hocherhobenem Kopf, ging sie zur Bar, um sich ein wenig Champagner nachzuschenken. Aber im stillen hoffte sie, dass sie nicht einen Ball geschossen hatte, der ihr ein Eigentor einbringen würde.
    Julia wusste nicht, ob sie soeben das tollste Weihnachtsgeschenk in ihrem Leben bekommen hatte oder eine Menge Schrott. Sie stand an dem großen Erkerfenster in ihrem Haus in Connecticut und schaute den tanzenden Schneeflocken zu. In dem gegenüberliegenden offenen Kamin zischten und knisterten die brennenden Holzscheite. An jeder Seite des Kamins hing ein roter Strumpf.
    Der Baum stand genau in der Mitte vor dem Fenster, wie Brandon es gewollt hatte. Sie hatten die sechs Fuß hohe Fichte gemeinsam ausgesucht und ins Wohnzimmer geschleppt. Dann hatten sie den ganzen Abend damit verbracht, sie zu schmücken. Brandon hatte genau gewußt, wo jeder Stern, jede Kugel hängen sollte. Als sie das Lametta in kleinen Büscheln auf den Zweigen verteilen wollte, hatte er darauf bestanden, jeden Faden einzeln aufzuhängen.
    Er hatte auch schon den Platz ausgesucht, wo der Baum am Neujahrstag eingepflanzt werden sollte, womit eine neue Tradition in ihrem neuen Heim beginnen sollte.
    Brandon war zehn Jahre alt, und Traditionen gingen ihm über alles. Vielleicht deshalb, weil er nie ein richtiges Zuhause gehabt hatte. Julia schaute auf die Geschenkpäckchen unter dem Baum. In ein paar Stunden würde er seine Mutter bitten, eins, nur ein einziges, schon heute am heiligen Abend öffnen zu dürfen. Auch das gehörte zur Tradition. Sie würde es ihm abschlagen. Er würde weiter auf sie einreden. Sie würde so tun, als finge sie an, schwankend zu werden. Er würde sie schließlich überreden.
    Und in diesem Jahr konnten sie endlich in einem richtigen Zuhause Weihnachten feiern. Nicht in einem Apartment im Zentrum von Manhattan, sondern in einem Haus mit einem Hof, wo man einen Schneemann bauen konnte, und einer großen Küche, in der man Plätzchen backen konnte. Sie hatte sich so sehr danach gesehnt, ihm all das endlich geben zu können. Sie hoffte, es wog die Tatsache auf, dass er ohne Vater aufwachsen musste.
    Sie fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie war eine kleine, zierliche Gestalt und trug ein überlanges Flanellshirt und ausgebeulte Jeans. Zu Hause zog sie sich immer bequem an und erholte sich von ihren öffentlichen Auftritten als geschniegelte, kühle, überlegene und erfolgreiche Frau. Julia Summers war stolz auf ihr Image in Fernsehsendungen, bei Verlagen und den berühmten Leuten, die sie interviewte. Sie freute sich über ihre geschickten Fragestellungen, die es ihr erlaubten, alles über andere herauszufinden, was sie wissen wollte, während man dabei über sie nur sehr wenig in Erfahrung brachte.
    Ihr offizieller Lebenslauf verriet jedem, der es wissen wollte, dass sie als einziges Kind eines erfolgreichen Anwaltpaares in Philadelphia aufgewachsen war. Weiter erfuhr man, dass sie die Brown University absolviert hatte und alleinerziehende Mutter war. Dann wurden ihre beruflichen Erfolge aufgelistet. Aber nirgends war die Rede von der Hölle, die sie drei Jahre lang durchgemacht hatte, bevor ihre Eltern sich scheiden ließen, oder der Tatsache, dass sie völlig auf sich gestellt ihren Sohn zur Welt brachte, als sie achtzehn war. Der Schmerz, den sie empfunden hatte, als ihre Mutter starb, wurde ebenso wenig erwähnt wie der Kummer um ihren Vater, den sie zwei Jahre später verloren hatte.
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