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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Henning Mankell
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Wein.
    »Ich mische mich nicht ein in das Leben anderer Menschen«, sagte er. »Aber lassen Sie mich meine Bewunderung dafür ausdrücken, dass Sie versucht haben, die schwarze Frau in der Festung zu retten. Pedro Pimenta war ein netter Mann, aber er war ein Schurke. Er hat alle Frauen betrogen, denen er wichtig war.«
    »Ich habe nicht genug getan«, antwortete Ana. »Isabel ist gestorben.«
    »Menschen aus unserem Teil der Erde verwandeln sich in unerträgliche Geschöpfe, wenn sie nach Afrika übersiedeln«, sagte Kapitän Fortuna traurig. »Hier auf dem Schiff komme ich dem Elend an Land nicht zu nahe. Aber dass wir die Schwarzen auf eine Art behandeln, die sich rächen wird, daran besteht kein Zweifel.«
    Vielleicht erwartete er eine Antwort. Aber sie schwieg lange, bis sie anfing, von etwas ganz anderem zu reden.
    »Lassen Sie uns ehrlich sein«, sagte sie. »Ich weiß, dass Sie das Bordell besucht haben, dessen Besitzerin ich nach dem Tod meines Mannes wurde. Sie haben bezahlt und die Frauen gut behandelt. Aber eine Frage habe ich. Welche von den Frauen war es, die Sie besuchten?«
    »Belinda Bonita. Nie eine andere. Wäre es mir möglich gewesen, hätte ich sie geheiratet.«
    »Der schwarze Träger, der mich an Bord begleitet hat«, sagte Ana. »Ich liebe ihn. Ich hoffe, dass ich sein Kind in mir trage.«
    Kapitän Fortuna sah sie in dem flackernden Licht der Laterne an, die er in der Hand hielt.
    Er lächelte. Ein freundliches Lächeln.
    »Ich verstehe«, sagte er. »Ich verstehe genau, was Sie meinen.«
    In dieser Nacht schlief Ana einen langen, tiefen Schlaf. Sie dachte, das Meer sei wie ein Schaukelstuhl, in dem sie sacht vor und zurück schaukelte, während die Nacht verging und ein anderes Leben sich langsam abzeichnete.

 
    EPILOG
     
    Africa Hotel, Beira, 1906

 
     
     
    Zum zweiten Mal in ihrem Leben trat Hanna Lundmark einen Landgang an und verließ ein Schiff, um nie wieder an Bord zurückzukehren. Während der Fahrt hatte sie ihre anderen Namen abgelegt, Ana Branca und Hanna Vaz. Sie hatte auch erwogen, Lundmarks Namen aufzugeben und die zu werden, die sie von Geburt an war, Hanna Renström. Sie hatte an der Reling des kleinen Küstendampfers gestanden, hin und wieder Delphine im Kielwasser beobachtet und sogar einmal, nahe bei Xai-Xai, Walfontänen gesehen.
    Einen Namen nach dem anderen hatte sie über die Reling verschwinden lassen.
    Sie hatte das Heck gewählt, weil sich dort die Kombüse befand, ähnlich wie auf der Lovisa . In der engen, dunstigen Küche arbeitete eine ungeheuer dicke schwarze Frau mit zwei Männern, die man vielleicht angestellt hatte, weil sie so mager waren. Sonst hätten sie niemals zusammen an dem Holzofen Platz gehabt, zwischen Töpfen und abgestoßenem Geschirr.
    Es waren wenige Passagiere an Bord. Hanna hatte die beste Kabine. Aber jeden Abend musste sie Kakerlaken jagen und mit einem Schuh zerquetschen. Über ihrem Kopf hörte sie das Husten von Deckpassagieren, die sich zum Schlafen in ihre Decken einrollten.
    Hin und wieder hatte sie sich mit Kapitän Fortuna unterhalten. Hanna hatte verstanden, dass er seine Wurzeln offenbar überall in der Welt hatte. Am zweiten Tag an Bord hatte er sie gefragt, woher sie komme.
    »Aus Schweden«, hatte sie geantwortet. »Ein Land weit oben im Norden. Wo das Nordlicht am Nachthimmel leuchtet.«
    Sie war nicht ganz sicher, ob er wusste, wo ihr Heimatland lag. Aber sie hatte höflich gefragt, woher er selbst stamme.
    »Meine Mutter war Griechin«, antwortete er. »Der Vater meiner Mutter kam aus Persien, aber sein Ursprung war eigentlich eine Mischung aus dem Jüdischen und dem Marokkanischen, mit einem Tropfen Blut aus dem fernen Japan. Ich selbst betrachte mich als einen arabischen Marokkaner oder einen afrikanischen Araber. Das Meer gehört allen.«
    Hanna aß in ihrer Kabine, bedient von einem der mageren Männer aus der Kombüse. Sie aß sehr wenig, ruhte meist in ihrer Koje oder stand am Heck und ahnte die Umrisse des schwarzen Kontinents im gleißenden Sonnendunst.
    Nach vierzehn Stunden fiel die Dampfmaschine aus. Sie blieben fast vierundzwanzig Stunden lang liegen, ehe es dem Maschinisten gelang, den Fehler zu beheben, und sie die Reise nach Beira fortsetzen konnten.
    In der Abenddämmerung ging sie die Gangway in die fremde Stadt hinunter, im Gefolge zwei Matrosen, die Kapitän Fortuna ihr zugeteilt hatte, um sie zum Africa Hotel zu begleiten. Dort wollte sie wohnen, solange sie nach Isabels Eltern suchte.
    Als sie
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