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Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Henning Mankell
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verdammten Stadt herrschten.
    »Begleite mich zum Hafen«, war alles, was sie sagen konnte.
    »Ja«, sagte Moses. »Ich komme mit.«
    Aber als sie die Autotür aufhielt, schüttelte er nur den Kopf und lief mit leichten, federnden Schritten den Hang zum Hafen hinunter.
    Ana bat Vanji, einen anderen Weg zu nehmen. Sie wollte nicht an dem laufenden Moses vorbeifahren.
    Sie gab Vanji auch zwei Kuverts, eins als Entgelt für die Zeit, in der sie das Auto genutzt hatte, das andere mit einer Zahlung für ihn.
    Es waren die letzten beiden Kuverts, die sie überreichte. Jetzt waren alle bezahlt worden. Sie hatte sich schuldenfrei gemacht und sich auf eine Art verhalten, die andere weiße Bürger der Stadt verurteilt hätten. Sie hätten gesagt, sie zerstöre die Schwarzen, mache sie obstinat und faul und verringere ihren Respekt vor der weißen Obrigkeit.
    Ich stehe mit einem Bein in jedem Lager, und ich gehöre nirgendwohin, dachte Ana. Bis jetzt. Da Moses zurückgekehrt ist. Aber auch das ist keine Zugehörigkeit, die möglich ist.
    Er stand unten am Kai und wartete, als sie ankam. Trotz des langen Laufs schien er in keiner Weise angestrengt zu sein. Ana dachte, es sei wie mit Lundmark. Sie sah nur das, was sie sehen wollte. Hätte sie Moses gründlich gemustert, hätte sie bemerkt, wie schmutzig sein Overall und seine Hände waren, und vielleicht auch, dass der Lauf ihn angestrengt hatte, da seine Lungen nach all den Jahren in den Minen sicherlich geschädigt waren.
    Sie verabschiedete sich von Vanji, der sich ungeschickt vor ihr verbeugte.
    »Jetzt sehen wird uns nie wieder«, sagte sie.
    »Jedenfalls nicht in diesem Leben«, erwiderte Vanji.
    Als sie sich umdrehte, hatte Moses schon ihre Taschen genommen. Er folgte ihr an Bord. Der weiße Steuermann an der Gangway grüßte und ließ sie durch. Ein Steward in weißer Jacke zeigte ihnen den Weg zur Kabine. Ana konnte nicht umhin, an ihre erste Begegnung mit Carlos zu denken, und lächelte wehmütig.
    Niemand wird das verstehen, dachte sie. Ich trauere um einen Mann, mit dem ich nur ein paar Wochen verheiratet war. Ein anderer Mann, mit dem ich auch verheiratet war, starb, ohne dass ich Trauer empfunden hätte. Aber es gibt eine schwarze Frau und einen Affen, die immer in meinen Gedanken bleiben werden, solange ich lebe. Und jetzt, ein schwarzer Mann namens Moses, dem ich nahe sein will.
    Der Steward öffnete die Tür der Kabine. Er blieb stehen, um Moses zurück zur Gangway zu begleiten. Aber Ana schloss die Tür, nachdem sie erklärt hatte, Moses würde ihre Taschen auspacken und dann erst gehen.
    Zum ersten Mal waren sie allein in einem Raum. Ana setzte sich auf den Bettrand. Moses blieb stehen.
    »Ich dachte, du wärst zu den Minen zurückgekehrt«, sagte sie. »Ich war ärgerlich, weil du nichts gesagt hast.«
    Moses antwortete nicht. Seine ruhige Sicherheit schien plötzlich ganz verschwunden.
    Ich muss es wagen, dachte sie. Ich habe nichts zu verlieren. Wenn ich etwas gelernt habe seit dem Tag, an dem ich zum ersten Mal ein Schiff betreten habe, und dem heutigen Tag, an dem ich abreise, dann ist es, ein Wagnis einzugehen. Ich werde mich nicht von dem beeinflussen lassen, was andere Leute für eine weiße Frau wie mich für erlaubt halten.
    Zum ersten Mal sah sie unvoreingenommen auf die verwirrende Zeit zurück, die sie in der Stadt an der Lagune verbracht hatte. Das Treffen mit Isabel hatte sie eine Zuneigung zu einer schwarzen Frau fühlen lassen, deren Schicksal sie hart getroffen hatte. Aber Isabel war tot. Auch Lars Johan Jakob Antonius Lundmark, ihr erster Ehemann, war tot. Und Senhor Vaz, der sie reich gemacht hatte, ebenso.
    Dann hatte Moses ihren Weg gekreuzt. Ihre Zuneigung für Isabel hatte sich in Liebe zu ihrem Bruder verwandelt. Und er war lebendig, er hatte sie nicht verlassen.
    Ana stand auf und ging zu Moses hin. Sie lehnte ihr Gesicht an seine Brust und empfand Dankbarkeit und Erleichterung, als sie seine Hände um ihre Taille fühlte.
    Sie liebten sich in großer Eile, halb angezogen, unruhig, aber hingebungsvoll, während über ihren Köpfen und in dem engen Gang vor der Kabine Schritte zu hören waren. In ihr waren ein Gedanke und ein Wille, dass diese Liebe nie zu Ende gehen sollte, dass sie anhalten würde, bis das Schiff sich mit Wasser füllte und versank. Sie spürte Moses’ Wollust, seine Zärtlichkeit, und als er plötzlich aufschluchzte, waren Isabel und ihre Kinder mit ihnen in dieser Kabine.
    Danach war alles sehr still. Sie lagen
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