Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erich Kastner

Erich Kastner

Titel: Erich Kastner
Autoren: Baron von Munchhausen
Vom Netzwerk:
sondern auch ein bißchen lächerlich oder ärgerlich, wie man will. Ich mußte nämlich die Bienen des türkischen Sultans jeden Morgen auf die Weide treiben! Dort mußte ich sie, als wären’s Ziegen oder Schafe, den ganzen Tag über hüten. Und am Abend mußte ich sie wieder in ihre Bienenstöcke zurückscheuchen. Eines Abends sah ich nun, daß zwei Bären eine der Bienen angefallen hatten und sie ihres eingesammelten Honigs wegen zerreißen wollten. Da ich nichts in der Hand hatte als meine silberne Axt, die das Rennzeichen für die Sultansgärtner ist, so warf ich die Axt mit aller Wucht nach den beiden Räubern. Doch sie traf die Bären nicht, sondern flog an ihnen vorbei, stieg infolge des gewaltigen Schwungs höher und höher und fiel erst, wo glaubt ihr, nieder? Auf dem Mond!
Was tun? Wie sollte ich sie wiederkriegen? Wo gab es so lange Leitern? Zum Glück fiel mir ein, daß die türkischen Bohnen in kürzester Frist erstaunlich emporwachsen. Ich pflanzte sofort eine solche Bohne, und sie wuchs doch

    tatsächlich bis zum Mond hinauf und rankte sich um die eine Spitze der Mondsichel! Nun war es eine Kleinigkeit, hinaufzuklettern, und eine halbe Stunde später fand ich auch meine Axt wieder, die auf einem Haufen Spreu und Häcksel lag.
    Ich war heilfroh und wollte schleunigst in die Türkei zurückklettern, aber ach, die Sonnenhitze hatte meine Kletterbohne völlig ausgetrocknet, und sie war zu nichts mehr zu gebrauchen! Ohne langes Federlesen flocht ich mir aus dem Mondhäcksel einen Strick, den ich an einem der Mondhörner festband. Dann ließ ich mich vorsichtig hinunter. Nach einiger Zeit hieb ich mit meiner silbernen Axt das überflüssig gewordene Stück über mir ab und knüpfte es unter mir wieder an. Das ging eine ganze Weile gut, aber mit einem Mal, als ich noch in den Wolken hing, riß der Strick! Und ich stürzte mit solcher Gewalt auf Gottes Erdboden, daß ich etwa zehn Meter tief in die Erde hineinfiel! Mir taten alle Knochen weh. Doch nachdem ich mich etwas erholt hatte, grub ich mir mit den Fingernägeln, die ich glücklicherweise zehn Jahre nicht geschnitten hatte, eine Treppe ins Erdreich, stieg auf dieser hoch und kehrte zu meinen Bienen zurück.
    Das nächste Mal fing ich’s mit den Bären gescheiter an. Ich bestrich die Deichsel eines Erntewagens mit Bienenhonig und legte mich nicht weit davon in den Hinterhalt. Was ich erwartet hatte, trat ein. Vom Duft des Honigs angelockt, erschien bald darauf ein riesiger Bär und begann an der Deichselspitze so gierig zu lecken, daß er sich nach und nach die ganze Deichselstange durch den Rachen, den Magen und den Bauch hindurch und am Hinterteil wieder heraus leckte. Er stak wie am Spieß. Nun lief ich rasch hinzu, steckte durch das vordere Deichselende einen Pflock und ließ Meister Petz bis zum nächsten Morgen zappeln. Der Sultan, der zufällig vorbeispazierte, wollte sich fast totlachen.
    Kurz darauf schlössen die Russen und die Türken Frieden, und ich wurde als einer der ersten Gefangenen ausgeliefert und nach Petersburg zurückgeschickt. Dort nahm ich meinen Abschied und kehrte nach Deutschland zurück. Es war ein so strenger Winter, daß sogar die Sonne Frostbeulen bekam, und ich fror noch viel mehr als auf der Hinreise.
    Da mein Litauer von den Türken beschlagnahmt worden war, mußte ich mit der Schlittenpost reisen. In einem Hohlweg, der kein Ende nehmen wollte, bat ich den Postillion, mit seinem Hörn ein Signal zu blasen, damit wir nicht etwa mit einem uns entgegenkommenden Fuhrwerk zusammenstießen. Er setzte das Posthorn an die Lippen und blies aus Leibeskräften hinein. Aber so sehr er sich anstrengte, es kam kein Ton heraus! Trotzdem erreichten wir die nächste Poststation gesund und munter und beschlossen, Rast zu machen und uns von den Strapazen zu erholen. Der Postillion hängte sein Hörn an einen Nagel beim Küchenfeuer. Und wir setzten uns zum Essen.
    Auf einmal erklang’s „Tereng, tereng, tereng, tengteng!” Wir sperrten die Ohren auf und machten große Augen.
     

    Dann merkten wir, warum der Postillion nicht hatte blasen können. Die Töne waren in dem Hörn festgefroren! Nun tauten sie nach und nach auf, und es wurde ein richtiges Tafelkonzert daraus. Wir hörten unter anderem „Ohne Lieb’ und ohne Wein”, „Gestern abend war Vetter Michel da” und sogar das schöne Abendlied „Nun ruhen alle Wälder”.
    So endete der Spaß mit dem Posthorn, und damit endet zugleich meine russische Reisegeschichte. Sollten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher