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Erfrorene Rosen

Erfrorene Rosen

Titel: Erfrorene Rosen
Autoren: Marko Kilpi
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also, dass er angestarrt wird. Manche mustern ihn verwundert, einige schlagen die Hand vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken, der eine oder andere rümpft verächtlich die Nase. Derart im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, stört Olli, es macht ihn verlegen. So kann er nicht weiter nach dem Verdächtigen suchen. Er muss eine ruhige Ecke finden und sich säubern.
    Da fällt sein Blick auf jemanden, der am anderen Ende der Halle steht und ihn überhaupt nicht beachtet. Das weckt Ollis Verdacht. Während alle anderen Olli mehr oder weniger interessiert beobachten, blickt dieser Mann starr vor sich hin und reagiert nicht auf das, was um ihn herum passiert. Vorsichtig beschleunigt Olli seine Schritte und nähert sich dem Mann, während die anderen Leute ihm ausweichen – vermutlich im Glauben, er sei nicht ganz richtig im Kopf. Der Mann trägt eine dunkle Hose und einen blau schimmernden, verschlissenen Anorak. Auf dem Kopf hat er eine rot-weiß gestreifte Mütze, in der Hand eine Plastiktüte. Er steht mit der Seite zu Olli, den Kopf halb abgewandt. Olli lässt ihn keine Sekunde aus den Augen, denn das innere Radarsystem, das am Bahnhof stumm geblieben ist, jault nun so ohrenbetäubend, dass er das Jucken in seinen Augen gar nicht mehr spürt.
    Der Mann sieht den näher kommenden Olli aus dem Augenwinkel an und dreht sich ganz leicht ab. Das bestätigt Ollis Verdacht. Er nimmt das Funkgerät aus der Tasche, um Tossavainen zu informieren. Doch die Antenne verhakt sich im Reißverschluss der Jackentasche, gleitet ihm aus der Hand und fällt auf den Boden. Olli bleibt stehen und sieht zu der Stelle hinüber, wo der Mann gerade noch war. Er ist nicht mehr zu sehen. Nur die Tüte markiert den Punkt, an dem er vor einer Sekunde gestanden hat.
    Am Rand von Ollis Blickfeld saust etwas vorbei. Es ist die rot-weiße Mütze, die gerade über eine Treppe verschwindet. Im selben Moment entdeckt Olli sein Funkgerät, das über den Asphalt hüpft und seine Antenne verliert.
     

    Am Empfangsschalter der Polizeistation betrachtet Hauptwachtmeister Soinio die unter der Decke hängenden Monitore und streicht sich geistesabwesend über den buschigen Schnurrbart. Über die Monitore flimmern Aufnahmen der Überwachungskameras in der Innenstadt, wo die Bombendrohung ein gewaltiges Chaos ausgelöst hat. Ein eigenwilliges Fernsehprogramm, dessen einziger Zuschauer Soinio ist.
    Hinter ihm röchelt es. Soinio dreht sich um und stellt fest, dass das Geräusch aus der Kaffeemaschine kommt, die ihre Aufgabe gerade beendet hat. Er steht auf, wirft noch einen Blick auf die Monitore und gießt sich dann Kaffee ein.
    »Guten Tag«, sagt eine dünne, unsichere Stimme auf der anderen Seite des Schalters.
    Soinio zuckt zusammen, denn er hat überhaupt nicht gemerkt, dass jemand an den Schalter getreten ist. Er dreht sich um und sieht eine Frau.
    »Guten Tag«, antwortet er und kommt mit seiner Kaffeetasse an den Schalter. »Was kann ich für Sie tun?«
    In dem Moment kommt Spannung in die Szenen auf den Monitoren. Der erste zeigt einen ins Bild laufenden Mann mit rot-weißer Mütze, der kurz stehen bleibt, sich hastig umsieht und weiterrennt. Gleich darauf läuft Olli an genau derselben Stelle ins Bild und setzt dem Mann nach. Soinio hat keine Ahnung, welches Spektakel da gerade über seinem Kopf abläuft.
    »Ich habe einen Brief für Olli Repo«, sagt die Frau, die sich als Helena Susiaho vorstellt, und holt einen Umschlag aus der Handtasche. »Kann ich den hier abgeben?«
    »Natürlich«, antwortet Soinio. »Ich leite ihn weiter.«
    »Danke und auf Wiedersehen.« Damit geht sie hinaus.
    »Auf Wiedersehen«, sagt Soinio und blickt der Frau nach, die ihm ausnehmend gut gefallen hat. Dann lehnt er sich lässig auf seinem Stuhl zurück und hebt die Tasse an den Mund, bevor er wieder zu den Monitoren aufschaut. Da sieht er Olli über den Bildschirm hetzen, als laufe er um sein Leben. Auf dem nächsten Monitor bleibt ein Mann mit einer Mütze mitten auf der Sammonkatu stehen, blickt nervös zurück und verschwindet aus dem Bild. Gleich darauf erscheint Olli auf demselben Bildschirm und rennt dem Mann nach.
    Soinio springt auf und stellt die Tasse so hastig ab, dass Kaffee über Helena Susiahos Briefumschlag schwappt. Er flucht leise und greift nach der Fernbedienung, mit der er die Überwachungskameras umdirigiert.
     

    Aus den Lautsprechern dröhnt eine Durchsage, die die Ankunft eines Zuges auf Gleis eins ankündigt. Tossavainen schaut in die
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