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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg
Autoren: Lion Feuchtwanger
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wie konnte man einen solchen Kerl mögen! Was er über den Mann Krüger und die Bilder gesagt hatte, einfach ekelhaft war das gewesen. Ekelhaft überhaupt war es, daß jetzt auch einen Mann wie den Dr. Lorenz Matthäi sein dickes Blut der regierenden bäuerlichen Schicht so blind in die Arme getrieben hatte. Je nun, kritisch war er wohl nicht, kritisch waren wir alle nicht, sein Herz war wahrscheinlich immer dort gewesen.
    Herr Hessreiter war jetzt auf den Odeonsplatz gelangt. Vor ihm hob sich die Feldherrnhalle, eine Nachbildung der Florentiner Loggia dei Lanzi, errichtet den beiden größten bayrischen Feldherren, Tilly und Wrede, von denen der eine kein Bayer und der andere kein Feldherr war. Herrn Hessreiter, sooft er die Feldherrnhalle sah, gab es einen kleinen Stich. Er erinnerte sich, welche Freude er als ganz junger Mensch gehabt hatte an dem schönen Bauwerk, das der Architekt Gärtner mit sicherem Takt als Abschluß der Ludwigstraße hingesetzt hatte. Aber schon als Knabe hatte er erleben müssen, daß man auf die Treppenwangen zwei schreitende Löwensetzte, die strenge, vertikale Wirkung des Bauwerks zerstörend. Später dann hatten die Hammel die Rückwand der Halle mit einer blöden, akademischen Aktgruppe verhunzt, dem sogenannten Armeedenkmal. Seither schaute Herr Hessreiter immer mit einer gewissen Scheu auf die Feldherrnhalle, ob nicht dort über Nacht irgendein neues Greuel aufgestellt sei, und die zunehmende Verschandelung der Loggia galt ihm als Barometer der Böotisierung seiner Stadt.
    Heute war in der Halle Militärmusik aufgezogen, ein inniges Lied aus einer Wagneroper schmetterte über den mit flanierendem Volk dicht gefüllten Platz. Der Verkehr stockte, Autos hielten, die blauen Wagen der elektrischen Bahn klingelten sich mühsam durch das Gedränge ihren Weg. Viele bemützte Studenten waren da, standen in Gruppen, grüßten sich gegenseitig durch tiefes, eckiges, scharf gemessenes Abziehen ihrer Mützen, genossen die Blechmusik. Herr Hessreiter fing Fetzen ihres Gesprächs auf. Feststand, daß man dem Komment zufolge während des Essens von warmen Speisen die farbigen Mützen ablegte, beim Konsum kalter Gerichte hingegen sie aufbehielt. Die Debatte ging nun darüber, ob gehacktes, rohes, mit Zwiebeln und Ei gemischtes Fleisch, sogenanntes Tatar-Beefsteak, nicht warmem Essen gleich zu achten sei, ob es als warm ziehe oder nicht. Eifrig und mit vielen Argumenten diskutierten darüber die Angehörigen verschiedener Studentenverbindungen. Kinder und Frauen fütterten zahme, dicke Tauben, die an der Halle der fragwürdigen Feldherren und an der barocken Theatinerkirche nisteten. Am Ausgangstor des Hofgartens stand wie in Ergänzung der Statuen der Halle idolhaft wuchtig ein Feldherr des großen Krieges noch in Fleisch und Blut, herrisch sich reckend inmitten einer ehrfurchtsvollen Gruppe, der General Vesemann, krampfig forscher Schädel, flacher Hinterkopf, fleischiger Nacken.
    Herr Hessreiter hatte ursprünglich vorgehabt, in einem der stillen, friedlichen Hofgartencafés unter den großen Kastanienbäumen einen Wermut zu trinken, bevor er sich in denSchwurgerichtssaal begab. Auf einmal reizte ihn das nicht mehr. Er sah nach der Uhr. Er hatte noch eine kleine Stunde Zeit. Er wird sich doch noch die Bilder in der Galerie Novodny anschauen.
    Herr Hessreiter war ein friedlicher Herr in ungewöhnlich günstigen Umständen, nicht geneigt, gegen die Weltläufte zu rebellieren. Aber er ärgerte sich über den Matthäi. Er hatte einiges von dem Krüger gelesen, Bücher und Essays, das Buch über die Spanier vor allem, er goutierte es nicht ganz, es war ihm zu sensitiv, Sexualdinge waren überbetont, alles war übertrieben. Auch persönlich war er mit dem Krüger einige Male zusammengetroffen. Er schien ihm ein bißchen ein Gigerl und ein Krampfbruder. Aber mußte man deshalb so giftig über ihn losfahren? Mußte man überhaupt einen gleich ins Zuchthaus schicken, weil er ein paar Bilder in die Galerie gehängt hatte, die ein paar Trotteln von Akademikern nicht paßten, weil die lieber ihre eigenen Schinken dort hätten hängen sehen? Das fleischige Gesicht des Herrn Hessreiter sah angestrengt und bekümmert aus; er malmte, die Schläfen mit dem leicht melierten Bart zuckten. Wenn man alle ins Zuchthaus schicken wollte, die einmal mit einer Frau geschlafen und es hinterher abgeschworen hatten, wohin käme man da. Die Bevölkerung war doch sonst nicht so. Herr Hessreiter, in die Brienner Straße
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