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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind
Autoren: Patricia A. McKillip
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Rendel neben sich, die ihn einen flüchtigen Moment lang mit ihrem Zorn befreit hatte, und er hätte vor ihr auf die Knie fallen mögen dafür, daß sie noch lebte, dafür, daß sie an seiner Seite war. In jenem Augenblick, den sie ihm geschenkt hatte, erkannte er, was er tun mußte.
    Dann prallten die Kräfte des Reiches vor ihm aufeinander. Skelette von Toten, schimmernde Kettenhemden und blitzende Schilde von Lebenden, Vesta, so weiß wie der Schnee, der vom Himmel herabfiel, die Wachen der Morgol mit ihren schlanken Speeren aus Silber und Eschenholz trafen auf die Erdherren, die voll erbarmungsloser, unmenschlicher Macht waren.
    Zum erstenmal hörte er den jammervollen Schrei einer Vesta im Tode, ein klagender Ruf nach ihren Gefährten. Er spürte, wie die Namen der Toten aus seinem Geist gelöscht wurden wie Kerzen vom Wind. Männer und Frauen kämpften mit Speeren und Schwertern, mit Pickeln und Äxten gegen einen Feind, der keinen Augenblick ein und dieselbe Gestalt beibehielt, sondern mit ständiger fließender Wandlung seiner äußeren Erscheinung den Gegner in Verzweiflung und Tod stürzte. Morgon fühlte, wie sie starben, Teile seiner selbst. Danans Bergleute brachen zusammen wie mächtige Bäume. Die Bauern von Hed, die sich einem Feind gegenübersahen, der alle ihre Vorstellungen sprengte, da nichts in der friedlichen Geschichte ihrer Insel sie je hatte ahnen lassen, daß es solche Wesen gab, schienen zu verwirrt, um sich auch nur zu verteidigen. Ihre Leben wurden Morgon wie in ihm verwurzelte Pflanzen entrissen. Die ganze Ebene schien wie ein brüllendes, sich aufbäumendes Tier, und ein Teil seiner selbst kämpfte ohne Hoffnung auf Überleben gegen den finsteren, hinterhältigen Feind, den man nicht fassen konnte und der den Tod des Reiches beschlossen hatte. In den kurzen Augenblicken der Schlacht spürte er den ersten der Landherrscher sterben.
    Er fühlte den Kampf in Heureus Geist, als dieser, verwundet und hilflos, versuchte, den wütenden Aufruhr in seinem Land zu begreifen. Sein Körper war nicht kräftig genug für solche Qual. Er starb allein, in den Ohren das Tosen der Brandung und die Schreie der Sterbenden auf der Ebene der Winde. Morgon spürte, wie die Lebenskraft aus dem König in die Erde von Ymris zurückströmte. Und auf dem Schlachtfeld wurde Astrin, der um sein Leben kämpfte, plötzlich von einem überwältigenden Schmerz heimgesucht, und alle Landinstinkte erwachten in ihm.
    Sein Schmerz ließ den von Morgon um den Erhabenen, um Heureu, um das Reich wieder aufleben, das seiner Hege anvertraut war und in ihm starb. Sein Geist öffnete sich mit einem klagenden Harfenton, der auch ein Ruf war - ein Ruf an einen Südwind, der heulend über das Hinterland fegte. Ton um Ton rief er die entfesselten Winde zur Ebene der Winde zurück.
    Klirrend vor Kälte kamen sie aus den nördlichen Einöden zu ihm; regenschwer aus dem Hinterland; von Salz- und Schneeduft geschwängert vorn Meer; nach feuchter Erde riechend aus Hed. Sie rasten. Sie drückten das Gras von einem Ende der Ebene zum anderen zur Erde nieder. Sie schleuderten seinen Körper in die Luft und entwurzelten Eichen am Rande der Ebene. Sie beweinten die Finsternis seines Schmerzes, zerrissen die Luft mit ihrem schrillen, wimmernden Klagen. Sie stoben die Heere vor sich auseinander wie Spreu. Reiterlose Pferde jagten vor ihnen her. Tote zerschmolzen in Erinnerung; Schilde wirbelten wie Blätter durch die Luft; Männer und Frauen lagen auf der Erde und versuchten kriechend, den Winden zu entkommen. Selbst die Erdherren wurden in ihrem Ansturm aufgehalten; gleich, welche Gestalt sie annahmen, gegen die Winde konnten sie nichts ausrichten.
    Morgons Geist war in Harfentöne gebrochen. Verbissen kämpfte er darum, sie in eine Ordnung zu zwingen. Der dröhnende Nordwind sandte seinen tiefen Ton durch ihn hindurch, und Morgon ließ ihn in seinem Geist anschwellen, bis dieser wie eine Harfensaite vibrierte. Da gab der Wind ihn schließlich frei. Er zog eine andere Stimme in sich hinein, die dünne, feurige Stimme eines Windes aus dem fernsten Hinterland. Mit einem süßen, schrecklichen Ton durchglühte sie seinen Geist. Er glühte mit ihr und nahm sie in sich auf. Ein dritter Wind, der über das Meer tobte, jagte ein wildes Lied durch ihn hindurch. Er sang mit ihm, wandelte die Stimme in ihm, in den Winden, in Sanftheit. Die stürmischen Wogen, die gegen die Küsten von Hed brandeten, legten sich langsam. Ein anderer Wind wob sein Lied
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