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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind
Autoren: Robert Holdstock
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zu lassen, nahm sie ihre Schle u der vom Boden auf, lud sie mit einem scharfzackigen Kiesel und hängte sich die Schleuder ebenfalls an den Gürtel.
    Ein plötzlicher Windstoß wirbelte spiralige Schneewo l ken über den Fels und trug den Schweißgeruch des Mä d chens mit sich, bestätigte den Verdacht, daß es ganz in der Nähe war.
    Die Frau benetzte ihre Hand mit Schnee und strich ihr länger gewordenes schwarzes Haar zurück, so daß sie die Sicht ganz frei hatte.
    „Krieger?“ lachte der Mann verächtlich. „Die ist doch keine Kriegerin.“
    „Das wissen wir nicht.“
    „Sie ist eine von denen. Eine Gelbhaarige“, sagte er gri n send. Das Wort hatte in ihrem privaten Slang, den sie sich zurechtgemacht hatten, die Bedeutung von etwas Häßl i chem.
    Die Frau ging auf die Felsbrocken zu und winkte dem Mann kurz und böse, zu bleiben, wo er war. Als sie an die Stelle kam, wo der Hang anstieg, trat das Mädchen hervor und schwang warnend, doch nicht direkt drohend ihre eig e ne stei n geladene Schleuder. Sie war zierlich und noch nicht ganz e r wachsen, denn ihre Schultern hatten noch unbehaarte Stellen, die in der Kälte bläulich angelaufen waren. Doch in ihren Augen war Kraft; auch in der Art, wie sie sich zur Ve r teidigung spannte. Rhythmisch summend wirbelte die Schleuder um ihre Hand.
    An einer Lederschnur hing ihr ein Kristallmesser am Ha l se, eine schöne, tödlich aussehende Waffe.
    Die dunkelhäutige Frau lächelte und hielt beide Hände hoch. „Lauf diesmal nicht weg. Wir wollen keine Fein d schaft mit dir.“
    Die Schleuder wirbelte immer noch, aber die Feindseli g keit in den Augen des Mädchens schwand, und sie blickte zu dem Ma n ne hin. „Er tut dir auch nichts.“
    Das Mädchen ließ die Schleuder hängen, nahm den Stein heraus und warf ihn weg. Sie sagte noch immer nichts, doch sie atmete leichter und blickte unentschlossen.
    „Wer bist du?“ fragte die Frau. „Warum folgst du uns immer?“
    „Moir … ich heiße Moir“, antwortete sie mit schwacher Stimme. Wahrscheinlich, dachte die Frau, ist sie hergeko m men, weil sie hungrig und müde ist. „Du bist …“ Sie wußte anscheinend nicht, ob sie weitersprechen sollte; sie warf e i nen unsicheren Blick auf den grinsenden Mann, der ein Stück hinter der Frau stand und jetzt langsam näher hera n kam. Dann fuhr sie fort: „Heißt du noch Elspeth?“
    Die Frau lachte. „Noch? Ich habe immer Elspeth gehe i ßen. Kennst du mich denn?“ Sie erkannte das Mädchen nicht, das nach ein paar Sekunden den Kopf schüttelte.
    „Nein … nein, eigentlich nicht.“
    „Warum bist du dann immer weggerannt?“ fragte der Mann ä r gerlich. „Wir hätten dir schon nichts getan.“
    „Das ist Karl“, sagte Elspeth lächelnd, „er macht die Muskela r beit.“
    Das Mädchen zuckte die Achseln und starrte Karl unwi l lig an.
    „Ich war mir nicht so sicher, daß ihr mich nicht töten würdet. Ich habe gesehen, wie ihr versucht habt, in die Er d burg einz u dringen – damals, mitten im Schneesturm, und ich habe ges e hen, was sie euch dort angetan haben. Ich dachte mir, ihr würdet schön w ü tend auf die Aerani sein. Und da wußte ich nicht, was ich tun sollte. Habt ihr was zu essen? Ich habe seit Tagen nichts gege s sen.“
    „Wir geben dir zu essen“, erwiderte Elspeth. „Weiter oben haben wir ein kleines Feuer in Gang, in der Höhle. Willst du bei uns bleiben?“
    Das Mädchen lächelte und nickte langsam. „Ich möchte schon.“
    „Bist du eine Kriegerin?“ knurrte der Mann. „Kannst du käm p fen?“
    „Ja. Ja, ich bin eine Kriegerin, und … ja, kämpfen kann ich.“
    „Wen hast du getötet?“ bohrte der Mann weiter. „Wo ist die Le i che? Wo ist der Beweis?“
    „Karl!“ mischte sich Elspeth ärgerlich ein. „Laß das! Sie ist doch noch ganz kaputt.“
    Aber Moir sagte schnell: „Ich habe meinen Bruder get ö tet, der ein großer Krieger war. Vor einiger Zeit habe ich ihn beerdigt, oben auf der Hochfläche, unter einem Schneeh ü gel.“
    Elspeth starrte das Mädchen nachdenklich an und nickte. „Wir haben das Grab vor ein paar Wochen gefunden. Wir h a ben ihn aufgegessen. Es war sonst nichts zu essen da.“
    Jetzt fand Karl Gefallen an dem Mädchen. „Wir machen bald wieder einen Angriff auf die Burg der Gelbhaarigen. Wir bra u chen gute Krieger, gute Kämpfer. Diesmal werden wir gewi n nen.“
    Doch das Mädchen lächelte nur. „Warum geht ihr nicht in Fri e den hin? Habt ihr jemals daran gedacht?“
    Karl kicherte
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