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Er ist wieder da

Er ist wieder da

Titel: Er ist wieder da
Autoren: Timur Vermes
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Rundfunks seit 1940 erschütternd geändert. Direkt nach dem Einschalten ertönte ein infernalischer Lärm, häufig unterbrochen von unfassbarem, vollkommen unverständlichem Geschwätz. Am Inhalt änderte sich in der Fortdauer nichts, allein die Häufigkeit des Wechsels zwischen Getöse und Geschwätz nahm zu. Ich entsinne mich minutenlanger vergeblicher Versuche, den Lärm des technischen Wunderwerks zu entschlüsseln, dann schaltete ich entsetzt ab. Ich saß wohl eine Viertelstunde reglos, beinahe schockstarr, bevor ich beschloss, meine Rundfunkbemühungen fürs Erste zurückzustellen. Insofern blieb ich letzten Endes auf die verfügbaren Presseerzeugnisse zurückgeworfen, deren vorrangigstes Ziel eine wahrhafte geschichtliche Aufklärung nie gewesen ist und selbstverständlich auch heute nicht sein konnte.
    Eine erste Bestandsaufnahme, die zweifellos unvollständig bleiben musste, sah wie folgt aus:
    1. Der Türke war uns offenbar doch nicht zu Hilfe gekommen.
    2. Angesichts der siebzigsten Wiederkehr des Unternehmens Barbarossa wurde mehrfach vor allem über diesen Aspekt deutscher Geschichte berichtet. Dabei wurde die Operation in einem insgesamt negativen Lichte gezeigt. Es wurde allgemein behauptet, der Feldzug sei nicht siegreich gewesen, ja der gesamte Krieg sei nicht gewonnen worden.
    3. Ich selbst galt tatsächlich als tot. Es wurde mir unterstellt, ich hätte Selbstmord begangen. Und gewiss, ich erinnere mich, diese Möglichkeit theoretisch im Kreise der Vertrauten erörtert zu haben, und sicher fehlten mir in der Erinnerung einige Stunden einer gewiss schweren Zeit. Aber letzten Endes musste ich nur an mir herabsehen, um die Tatsachen zu erkennen.
War ich denn tot?
Aber man weiß ja, was man von unseren Zeitungen zu halten hat. Da notiert der Schwerhörige, was ihm der Blinde berichtet, der Dorftrottel korrigiert es, und die Kollegen in den anderen Pressehäusern schreiben es ab. Jede Geschichte wird von Neuem aufgegossen mit demselben abgestandenen Lügensud, um dann anschließend das »herrliche« Gebräu dem ahnungslosen Volke zu kredenzen. Wenn ich auch in diesem Falle bereit war, durchaus so etwas wie Nachsicht walten zu lassen. Dass das Schicksal derart bemerkenswert in sein eigenes Räderwerk hineingreift, das kommt so selten vor, dass es selbst für die klügsten Köpfe schwer zu begreifen sein muss, geschweige denn für den durchschnittlichen Vertreter unserer so genannten Meinungsveröffentlicher.
    4. Was aber alle anderen Sachverhalte anging, galt es, dem Gehirn den Magen eines Wildschweins angedeihen zu lassen. Die militärischen, militärhistorischen, politischen und ganz allgemein jegliches Thema bis hin zu Wirtschaft betreffenden Fehleinschätzungen der Presse, unterlaufen aus Ahnungslosigkeit oder Böswilligkeit, galt es zu ignorieren, ein denkender Mensch musste sonst schlichtweg wahnsinnig werden angesichts von so viel gedruckter Dummheit.
    5. Oder ein Magengeschwür bekommen, so gottlos verblödet schmierten die syphilitisch degenerierten Gehirne der offenbar von jeder staatlichen Kontrolle befreiten Hetzpresse sich ihr zusammenphantasiertes Weltbild zurecht.
    6. Das Deutsche Reich schien einer sogenannten »Bundesrepublik« gewichen, deren Leitung allem Anschein nach einer Frau oblag (»Bundeskanzlerin«), allerdings auch schon anderen Herren anvertraut worden war.
    7. Es gab wieder Parteien und freilich das damit unfehlbar einhergehende unproduktive Gezänk. Die schier unausrottbare Sozialdemokratie trieb erneut ihr fruchtloses Unwesen auf dem Rücken des leidgeprüften deutschen Volkes, andere Vereine schmarotzten vom Volksreichtum wiederum auf ihre Weise, eine Wertschätzung ihrer »Arbeit« blieb – was verblüffen mag – sogar in der sonst so wohlgesinnten Lügenpresse größtenteils aus. Aktivitäten der NSDAP fanden hingegen nicht mehr statt, es war möglich, dass angesichts einer nicht auszuschließenden Niederlage in der Vergangenheit die Siegermächte die Parteiarbeit erschwert hatten, wenn nicht die Organisation sogar in die Illegalität gedrängt worden war.
    8. Der »Völkische Beobachter« war nicht überall erhältlich, der Kiosk des offenbar wohl doch reichlich liberalen Zeitungskrämers jedenfalls führte ihn nicht, wie bei ihm auch überhaupt keinerlei deutschnational orientierte Publikationen auslagen.
    9. Das Reichsgebiet schien deutlich verringert, die umgebenden Staaten waren jedoch weitgehend die gleichen geblieben, sogar Polen führte seine
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