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Equinox

Equinox

Titel: Equinox
Autoren: Jörg Juretzka
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Brisanz enthalten. »Reis«, schickte ich hinterher, im gleichen Tonfall mangelnder Begeisterung.
    Jesus, da hatten mindestens zwanzig Sack von dem Zeugs herumgelegen. Wer kam denn schon auf die Idee, dass der japanische Pedant jeden gottverdammten Tag seine Reiskörner abzählte?
    Ein Wortschwall brach aus dem obersten Chefkoch der Equinox heraus, kehlig im Tonfall und in einer Sprache, die ich »Japaninglish« nennen möchte, und von dem ich nur das mehrmals wiederholte »Basmati Golden Triangle« verstand.
    Hört sich an wie eine Sorte Opium, dachte ich mit einer ebenso kurzen wie heftigen Attacke von Sehnsucht. Oder lassen wir das »Sehn-« einfach weg.
    »Basmati Golden Triangle -«, begann Zouteboom zu erklären, da wurde er von Jochen unterbrochen.
    »Könnte man nicht einfach Nudeln nehmen?«, schlug er vor. Und Masimoto-San fiel über ihn her. Verbal nur, aber doch heftig genug, um neues Vertrauen in die Berichte britischer Kriegsgefangener über japanische Gastfreundschaft zu entwickeln. Nudeln, so wurde auch ohne direktes Verständnis seiner Worte deutlich, stellten in diesem Fall keine wirkliche Alternative dar.
    »Basmati Golden Triangle«, schrie Zouteboom dazwischen, mit dem Nachdruck, der nötig schien, uns alle mal eben an die Rangordnung zu erinnern, »ist eine spezielle Sorte Reis, die extra für unsere japanischen Gäste angeschafft worden ist!«
    Ah, die japanischen Gäste. Immer im Plural. Es handelte sich nur um eine Hand voll, trotzdem sah man niemals nur einen von ihnen alleine. Nach außen hin tadellose Manieren. Konnten einen mit stetem Lächeln und höflichem Verbeugen behandeln, als wäre man etwas, das man sich normalerweise am Bordstein von der Schuhsohle kratzt. Lauter Kerls in Anzügen, begleitet von - tja, hier komme ich nicht umhin, Jochen Fuchs zu zitieren -»obenrum blondiertem, untenrum rasiertem baltischem Fickfleisch«, wie er meinte. Zwei oder drei an kurzer Leine gehaltene, desinteressiert dreinblickende Sexsklavinnen also. Es gab eine eigens für die paar Söhne Nippons reservierte Bar an Bord, wo sie sich angeblich regelmäßig von den Beinen rissen, dass es nur so rauchte. Durften wir nicht rein, klare Sache, aber: Wie alle öffentlichen, von Passagieren besuchten Räume des Schiffes, seien es die Außendecks, die Gänge, Treppenhäuser, Kinos, Restaurants, ja selbst die Vorräume der Toiletten, unterstand natürlich auch die Nippon-Bar der permanenten Video-Überwachung. Die Engländer von der Security hatten versprochen, uns einen netten Trailer zusammenzuschneiden.
    »Kaffee?«, fragte Zouteboom. Von irgendwo war ein Steward mit einem Tablett erschienen und reichte Tassen herum. Plötzlich war ich in Gedanken bei seinem toten Boss, und mir wollte nicht einfallen, wie der geheißen hatte. Georgier, das war er gewesen, der Erste Steward, mit einer dieser für den Balkan typischen, willkürlichen Anordnung von Buchstaben, wo normale Leute einen Namen haben.
    Ich nahm ein Tässchen, schlürfte ein Schlückchen und sah hinaus auf die blaue, blaue See.
    Irgendwas mit »K« am Anfang, so viel wusste ich noch.
    »Kryszinski, hören Sie mir überhaupt zu?«, blaffte mich der Käptn an, und ich nickte.
    »Was ich gerade sagte, war: Ein einziger Sack dieser speziellen Reissorte«, und Zouteboom sah von Jochen zu mir und wieder zurück, »kostet uns im Einkauf 5000 Dollar.«
    Jochen prustete etwas Kaffee von sich und röchelte danach ein Weilchen vor sich hin.
    »Meine Herren, Vandalismus und Diebstahl an Bord sind nicht zu dulden. Ich möchte diese beiden Fälle aufgeklärt sehen, und zwar schleunigst. Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt.«
    Wir waren entlassen. Mit einem heimlichen Seufzer strebten wir der Tür zu, als uns die Stimme des Kapitäns noch mal einholte. Oder besser: mich.
    »Und, Kryszinski«, knurrte er wie ein Kettenhund, »sollte ich Sie noch ein Mal ohne Socken erwischen, wandern sie unverzüglich in die Arrestzelle.«
    Ich sag ja: Voll die Sorte, der nichts entgeht.
    Vier Minuten und vierunddreißig Sekunden später lagen wir wieder in unseren Betten.
     
    »15A und 15B bei der Rezeption A-Deck melden!«, schallte es. Blechern. Matrose Ratso besah mich von oben bis unten, kopfschüttelnd. Eine weitere Stunde hatte sich auf meinem Schlafkonto addiert und eine ganze Anzahl weiterer Lackpartikel war von der Innenseite der Kabinentür abgesplittert.
    »Weiß Antonov, dass ihr den ganzen Tag pennt?«, fragte er. »Denn wenn der das mitkriegt oder, Gott
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