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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes
Autoren: Jo Treggiari
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selten und Lucy brauchte Eiweiß. Außerdem befürchtete sie, dass sich auf dem Boden der alten Kaffeekanne mehr kriechendes Ungeziefer befand als geriebene Eicheln. Wenn sie die Schildkröte einfach wieder in den Kochtopf packte, den Deckel schloss und das Ganze eine Weile zwischen die glimmenden Hölzer stellte, müsste sich irgendwann das Fleisch von den Knochen lösen, und dann hätte sie Schildkrötensuppe oder immerhin Schildkrötentee. Lucy hatte noch ein paar verschrumpelte Wildzwiebeln und ein paar holzige Pilze, die sie dazuwerfen konnte. Sie hatte schon weitaus schlechter gegessen.
    Lucy legte die Schildkröte in den Topf, setzte den Deckel darauf und packte das rauchende Holz drum herum. Dann wusch sie sich die rechte Hand in ihrem Wassereimer. Das Blut ging weitestgehend ab, der schwarze Dreck tief unter ihren Fingernägeln allerdings nicht. Sie wischte sich die Hand an ihrer Jeans trocken. Ihre linke Hand schmerzte, und sie überlegte, ob der Verband vielleicht zu stramm war.
    Ihre Haut klebte vor Schweiß. Sie zog ihr dickes Sweatshirt aus. Darunter trug sie ein Tanktop. Lucy schnüffelte an ihrenAchseln, rümpfte die Nase und spritzte sich schnell ein wenig Wasser über den Oberkörper. Da die Wasserstände nun stiegen, würde sie sich bald wieder richtig waschen können. Das letzte Bad lag viel zu lange zurück. Komisch, dass ihr der Gestank nach saurem Schweiß und Dreck, der in ihrem Unterschlupf herrschte, erst jetzt auffiel. Höchste Zeit, das Graslager zu wechseln und die Binsenmatten zu lüften, die sie in den langen Nächten geflochten hatte – was ihr Schnitte in der Handfläche und auf den Fingern eingebracht hatte, sodass sie aussah, als hätte sie einen Kampf gegen einen Brombeerstrauch verloren. Sie beschloss, später ein paar Salbeibündel anzuzünden, gegen den Mief und den Gestank nach toter Schildkröte.
    Sie zog ihr Sweatshirt wieder an. Ihr Nacken war verspannt, ihre Hände zitterten und die Wunde pochte im Takt ihres Herzschlags. Sie wickelte sich einen Schal und danach ihren Schlafsack um die Schultern und setzte sich so nah es ging an ihr kleines Feuer. Der Rauch brannte ihr in den Augen. Sie ließ wertvolle Zeit verstreichen, dabei gab es noch genug zu tun, bevor es dunkel wurde. Aber sie hatte vorhin die Kerben gezählt, die sie als eine Art Kalender in die Rinde eines der vier Bäume schnitt, unter denen sie sich ihren Unterschlupf eingerichtet hatte. Sie wusste daher, dass die Zeit des Vollmonds kam und sie mehr Licht haben würde als sonst. Daher konnte sie sich ein bisschen Zeit lassen. Ein paar Minuten Pause würden ihr guttun.
    Durch die Ritzen der Schilde, die Lucy aus Weidenzweigen gewoben hatte und mit denen sie ihren Unterschlupf tarnte,konnte sie die Sonne sehen. Groß und rot ging sie über dem Meer unter, das so dickflüssig und zäh wie Pech schien.
    Diese Tageszeit fürchtete Lucy: wenn sie einen Moment Ruhe hatte und die Gedanken in ihr zu kreisen begannen und sie zu überwältigen drohten. Solange sie etwas zu tun hatte, konnte sie das Gefühl der Einsamkeit in Schach halten. Sie zog sich die Öffnung ihres Schlafsacks bis zu den Ohren hoch und schob den Schal über den Kopf, kuschelte sich in beides hinein und nahm das strenge Aroma vergammelter Blätter, festgebackener Erde und des trockenen Grases, auf dem sie schlief, wahr. Ihre Gedanken umsummten sie wie eine lästige Fliege.
    Sie musste das Umfeld ihres Lagers abgehen, die Fallen überprüfen, die Stolperseile, die Grasbüschel, die sie auf dem Boden ausgelegt hatte, um zu sehen, ob jemand mit schweren Tritten in ihre Nähe gekommen war. Lucy stöhnte. Sie war so müde! Ihre Tage waren immer lang, und manchmal kam es ihr vor, als spielte es gar keine Rolle, wie früh sie anfing.
    Sie warf den Schlafsack beiseite, knüllte ihren Schal zusammen und stand auf. Sie drehte ihren Kopf hin und her und hob und senkte einige Male die Schultern, um sie zu lockern. Dabei ging sie ein paar Punkte aus der Liste in ihrem Kopf durch: Sie brauchte Trinkwasser, was bedeutete, dass sie ziemlich weit laufen musste, bis zum See. Und sie musste so viel Holz holen, wie sie nur heranschleppen konnte, denn der Regen wurde heftiger. Innerhalb der letzten zehn, zwölf Stunden hatte es schon zwei sintflutartige Wolkenbrüche gegeben, und ihrem groben Monatskalender zufolge war erstAnfang Juni. Im genauen Notieren der Tage war sie alles andere als sorgfältig gewesen. Der Große Regen brachte Monsune, Sturzfluten, Wolkenbrüche und
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