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ePub: Ashes, Ashes

ePub: Ashes, Ashes

Titel: ePub: Ashes, Ashes
Autoren: Jo Treggiari
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Tropfen Blut waren zu sehen. Lucy kniete nieder und befühlte dieweichen, daunenartigen Haare. Wahrscheinlich ein Kaninchen, dachte sie. Eher als ein Eichhörnchen . So ein Pech. Kaninchen waren in diesen Zeiten eine Delikatesse. Trotzdem freute sie sich, dass es überhaupt noch Füchse und Kojoten in der Gegend gab. Die Epidemie hatte so viele Tierarten ausgerottet.
    Wie eine Antwort auf ihre Gedanken zerschnitt ein Geheul die Stille. Lucy erstarrte. Sie kannte das durchdringende Jaulen und das scharfe, abgehackte Bellen der Füchse und Kojoten, wenn sie einander riefen. Dieses Geheul aber ging tiefer, war aufgeregter – das Heulen und Kläffen einer jagenden Hundemeute.
    Lucys Kopf wirbelte in die Richtung, aus der die Laute drangen. Es war wohl noch ein Stück entfernt. Auf jeden Fall aber hinter ihr. Sie schauderte, zwang sich, nicht in blinder Panik davonzulaufen. Das Bellen und Heulen war nicht einfach nur hinter ihr. Es lag zwischen ihr und ihrem Lager. Die meisten Raubtiere hatten immer noch eine natürliche Scheu vor Menschen – ihr Geruch reichte, um sie auf Distanz zu halten. Die verwilderten Hundemeuten aber waren groß und hungrig – und sie hatten keine Angst vor Menschen.
    Lucy überlegte. Sie konnte weiter Richtung See laufen, ihn umrunden und die Hunde so umgehen. Auf der gegenüberliegenden Uferseite stieg das Land ein wenig an. Von dort aus hätte sie einen besseren Blick und könnte auch gleich den Wasserstand ablesen. Dort drüben, am anderen Ufer, stand die stumpf angelaufene Bronzestatue eines Mädchens, das auf einem großen Fliegenpilz saß und von allerlei seltsamen, ebenfalls auf Fliegenpilzen thronenden Gestalten umgeben war. Lucy benutzte diese Figur, um bei jedem zweiten Vollmond eine Linie für den Wasserstand hineinzuritzen. Als sie beim letzten Mal nachgesehen hatte, hatte das Wasser gerade an den Zehen des Mädchens geleckt. Zur Mitte des Großen Regens würde es bis an die Schultern gestiegen sein. An den Namen des Mädchens konnte Lucy sich im Moment nicht erinnern, obwohl ihre Mutter früher, als Lucy noch ein Kind war, oft mit ihr hier gewesen war und sie auf der Statue herumklettern ließ. Lucy erinnerte sich, dass sie von Fliegenpilz zu Fliegenpilz gesprungen war, das glatte, sonnengewärmte Metall gespürt und mit den anderen Kindern »Wer traut sich, am höchsten zu klettern« gespielt hatte. Die mutigsten unter ihnen sprangen vom Hasen auf den Mann mit dem Zylinder oder hockten sich auf den Kopf des Mädchens und hielten sich an ihrer langen Lockenpracht fest. Für Lucy war das aber nichts gewesen. Höher als bis auf den Schoß des Mädchens, der eben, breit und sicher war, hatte sie es nie geschafft.
    Sie musste zusehen, dass sie hier wegkam. Außer struppigem Gras und mickrigen Sträuchern gab es um sie herum keinerlei Schutz. Der Boden unter ihren Füßen hatte sich von lockerer, sandiger Erde zu rissigem feuchtem Schlamm gewandelt. Der See lag links von ihr. Während der heißen Jahreszeit war er zu einer Ansammlung kleiner, trüber Tümpel zusammengeschrumpft, die von weichem, schlüpfrigem Schlick umgeben waren. Erst weit außerhalb ihrer Reichweite lag eine größere Menge Wasser. Um ihre Angelschnüre zu markieren, hatte Lucy sie mit Streifen aus Baumrinde umwickelt. Sie zog sie hoch, und als sie sah, dass die Haken leer waren, warf sie sie zurück ins flache Wasser. Rundum hörte man Frösche quaken, die Lucy bemerkt hatten und einander warnten. Ihre Sprünge ins Wasser klangen wie das Abbrennen einer Serie kleiner Feuerwerkskörper. Frösche konnte Lucy nur mit ihrem Speer fangen. Sie waren einfach zu schnell, zu aufmerksam.
    Das Geheul der Hunde war verklungen und die Nacht war wieder still – abgesehen von den Lauten der kleineren Tiere. Lucy ging in die Hocke und tauchte die Kanister unter Wasser. Sie füllten sich nur langsam. Den Kopf aufrecht erhoben, schossen ihre Augen wie Pfeile umher. Sie schob ihre Kapuze zurück, um besser sehen zu können. Nach dem lärmenden Durcheinander aus Jaulen und Bellen war die Stille irritierend. Dann spürte Lucy, wie sich ihr die feinen Haare im Nacken aufstellten. Sie wurde beobachtet. Ganz langsam erhob sie sich, schraubte die Kanister zu und hängte sich das Seil, an dem sie befestigt waren, so um den Nacken, dass es über beide Schultern verlief. Dann löste sie ihr Messer in der Scheide. Sie lauschte, spitzte angespannt die Ohren. Unvermittelt erklangen leise, bedrohliche Laute ganz in ihrer Nähe. Eine Rattennatter
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