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Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Enwor 10 - Die verbotenen Inseln

Titel: Enwor 10 - Die verbotenen Inseln
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch den letzten Rest seines freien Willens hinwegzufegen drohte —und erlosch.
    Die Erleichterung war so gewaltig, daß Skar abermals taumelte und gestürzt wäre, hätten ihn nicht die Metallstäbe des Gitters hinter ihm aufgefangen. Stöhnend sank er in die Knie, blieb zwei, drei Sekunden lang mit geschlossenen Augen hocken und stemmte sich mühsam wieder in die Höhe. Er war so schwach, daß er das
Tschekal
als Krücke benutzen mußte, um sich überhaupt zu erheben.
    Nein,
flüsterte eine Stimme in seinem Kopf.
Nicht so.
    Als er die Augen öffnete, stand die
Sternenbestie
vor ihm.
    Ihr Anblick erschreckte ihn nicht. Der
Daij-Djan
hatte sich verändert, auf eine Art, die Skar nicht in Worte zu fassen vermochte: er war noch immer das kleine schwarze Scheusal, als das er ihn kannte und haßte, ein tödliches
Ding
aus Horn und reißenden Klauen, und trotzdem… anders. Finsterer. Drohender.
Präsenter.
Aus dem flüsternden Versucher, der trotz seiner mörderischen Kraft und des Todes, den er brachte, eigentlich niemals mehr als ein Schatten gewesen war, war ein
Etwas
geworden, die Idee, die der
Daij-Djan
war, hatte einen Körper bekommen.
    Aber das war es nicht. Skar registrierte die unheimliche Veränderung, die mit dem
Daij-Djan
vonstatten gegangen war, sehr wohl, aber er verschwendete kaum mehr als einen flüchtigen Gedanken daran.
    Er hatte keine Angst mehr vor ihm. Skar starrte die
Sternenbe-stieg
an und wartete auf das kalte Entsetzen, das ihn jedesmal bei ihrem Blick ergriffen hatte. Aber es kam nicht.
    Vielleicht zum allerersten Mal, seit er dem Ungeheuer aus den Abgründen der Zeit begegnet war, hatte er keine Angst vor ihm.
    Im Gegenteil — es war absurd, und es war auf seine eigene Art ebenso grausam wie das, was er dem Quorrl angetan hatte — aber das Erscheinen des
Daij-Djan erleichterte
ihn.
    Es war nicht so, daß er sich an den Anblick des Ungeheuers gewöhnt hatte, denn er war etwas, woran man sich nicht gewöhnen
konnte,
und das beim tausendsten Mal so entsetzlich und furchteinflößend war wie beim allerersten, und der Teil von Skar, der noch Mensch war, krümmte sich unter seiner bloßen Anwesenheit zusammen wie ein getretener Wurm — aber er ließ ihn auch gleichzeitig begreifen, daß nicht
er
es gewesen war, der den Quorrl auf so furchtbare Weise getötet
(getötet? Er hatte ihn geschlachtet!)
hatte, sondern der
Daij-Djan,
seine furchtbare, finstere Macht, die Skars Hand gelenkt hatte wie die einer Marionette.
    Aber das stimmt doch gar nicht, Bruder,
sagte der
Daij-Djan,
der seine Gedanken las.
Du hast es genossen.
    »Das ist nicht wahr«, sagte Skar. Seine Stimme zitterte. Plötzlich hatte er kaum noch die Energie, das Schwert zu halten. Abermals ließ er sich gegen das Metallgitter sinken, legte den Kopf in den Nacken und preßte den Schädel so fest gegen die eisernen Stäbe, bis ihm der Schmerz die Tränen in die Augen trieb. Der
Daij-Djan
lachte, ein lautloses, unglaublich
böses
Geräusch, das stärker und stärker anschwoll, bis es Skars Schädel ausfüllte wie das Heulen eines Höllensturms, ihn fast zum Bersten zu bringen schien. Skar stöhnte. Seine Hand zitterte, und sein Herz hämmerte so schnell und ungleichmäßig wie eine defekte Maschine, die aus dem Takt gekommen war.
    Und dann hörte er etwas. Ein Geräusch, so leise, daß er es mehr spürte als wirklich wahrnahm, und das doch irgendwie durch das brüllende Gelächter des
Daij-Djan
drang. Es war ein leises Wimmern, wie das Weinen eines Kindes.
    Skar zwang sich, die Augen zu öffnen und den
Daij-Djan
anzusehen, ihn und das wimmernde Bündel aus Blut und zerschlagenen Schuppen auf dem Boden neben ihm, und plötzlich begriff er, daß es die Stimme des Quorrl war, die er hörte.
    Er lebte noch.
    Nach allem, was er ihm angetan hatte, lebte er immer noch.
    Und er litt. Skar konnte seinen Schmerz fühlen, die unbeschreibliche Qual, die jede Sekunde neu für ihn brachte, in der der Tod nicht zu ihm kam. Und er konnte ebenso deutlich fühlen, wie sich der
Daij-Djan
an seinem Schmerz labte, ihn in sich aufnahm wie ein saugendes Ungeheuer das Blut seines Opfers. Der
Daij-Djan —
und er selbst. Etwas in ihm hatte es
gewollt
und wollte es immer noch.
    Mit einer Kraft, von der er selbst nicht mehr wußte, woher er sie noch nahm, ergriff er sein Schwert neu und fester, wankte an dem
Daij-Djan
vorbei und stieß dem Quorrl die Klinge ins Herz. Das entsetzliche Wimmern erlosch, und wo bisher der Widerhall unbeschreiblicher Qual gewesen
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