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Enthuellung

Enthuellung

Titel: Enthuellung
Autoren: Lisa Renee Jones
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renne mit einer Wucht dagegen, dass meine Zähne aufeinanderschlagen. In meinem Mund schmecke ich Blut, weil ich mir auf die Zunge gebissen habe, aber ich lasse das nicht meine Entschlossenheit erschüttern. Ich taste nach der Klinke und stoße erleichtert den Atem aus, als sie sich niederdrücken lässt und die Tür sich öffnet.
    Binnen eines Sekundenbruchteils bin ich aus dem Gebäude heraus, die fahlen Laternen auf dem Parkplatz und die kalte Nachtluft von San Francisco sind nach der erstickenden Dunkelheit des Gebäudes wie eine Erlösung. Ich renne zu meinem Wagen. Meine Muskeln ziehen und brennen, aber ich befürchte, dass jemand hinter mir ist, und wage es nicht, kostbare Sekunden zu verschwenden, um mich umzusehen und diese Vermutung zu bestätigen oder zu verwerfen. Ich habe mir die empfindliche Haut meiner Handfläche eingeklemmt, weil ich meine Schlüssel krampfhaft umklammert halte. Jetzt mühe ich mich, den elektronischen Klicker zu finden, um die Autotür zu entriegeln. Während ich gegen den Drang kämpfe, mich doch noch umzuschauen, und stattdessen die Tür aufreiße, scheint die Zeit stillzustehen.
    Davon überzeugt, dass irgendjemand mich von hinten packen wird, werfe ich mich auf meinen Sitz und knalle die Tür zu. Dann schließe ich mich im Wagen ein. Hektisch schaue ich aus dem Fenster und sehe niemanden, erwarte aber, jeden Moment Glas splittern zu hören. Meine Hände zittern so heftig, dass ich die eine mit der anderen festhalten muss, um den Schlüssel ins Zündschloss zu bekommen. Sobald er steckt, lasse ich den Motor an und lege ruckartig den Rückwärtsgang ein. Reifen quietschen, und mein Herz donnert. Ich trete auf die Bremse und werde durch den Ruck an die Lehne gepresst. Mein Atem rasselt, und das Geräusch erfüllt den unheimlich stillen Wagen, während ich auf die offene Tür des Gebäudes starre und nichts Spektakuläres oder Furcht einflößendes sehe. Es steht einfach … da. Und ich bin hier. Niemand sonst scheint in der Nähe zu sein.
    Es spielt keine Rolle. Je länger ich hier sitze, desto mehr fühle ich mich wie ausgesetzt, verletzlich und wie eine Zielscheibe. Ich trete aufs Gaspedal. Ich muss weg von diesem Parkplatz, sofort.
    Ich bin kaum auf der Nebenstraße, die zum Highway führt, die Hände ums Lenkrad gekrallt, als mir klar wird: Der Lagerraum ist unverschlossen. Ich habe ihn offen gelassen und fahre weg.
    Ich biege auf eine Tankstelle ein, parke neben dem Gebäude und sitze einfach nur da, eine Minute oder zwei oder zehn. Ich bin mir nicht sicher. Ich bin nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Also lasse ich den Kopf auf das Lenkrad sinken und versuche, mich zu konzentrieren.
    Der Lagerraum. Rebeccas Geheimnisse, ihr Leben. Ihr Tod.
    Ich reiße den Kopf hoch. Nein. Sie ist nicht tot. Sie ist nicht tot … und doch weiß ich intuitiv, dass dieser Lagerraum ein Geheimnis über sie verbirgt, ein Geheimnis, von dem irgendjemand nicht will, dass ich oder sonst jemand es entdeckt.
    »Ich muss zurückfahren und den Raum abschließen«, flüstere ich. Ich könnte die Polizei bitten, sich dort mit mir zu treffen. Sie würden mich nicht dafür verhaften, dass ich mich vor der Dunkelheit fürchte. Sie würden vielleicht lachen, sie wären vielleicht verärgert, aber diesmal werde ich auf Nummer sicher gehen und klug sein.
    Mein Handy klingelt auf dem Beifahrersitz. Ich kann mich nicht erinnern, es dort hingeworfen zu haben, darum zucke ich zusammen und balle die Faust zwischen meinen Brüsten. »Gütiger Himmel«, tadele ich mich selbst. »Reiß dich zusammen, Sara.«
    Ich schaue auf die Nummer.
Chris.
Es überläuft mich heiß. Zwischen uns ist so vieles ungeklärt, es gibt so viele Gründe, warum wir nicht füreinander bestimmt sind. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb habe ich nie so sehr das Bedürfnis gehabt, die Stimme eines Menschen zu hören, wie ich jetzt seine hören möchte.
    »Sara«, murmelt er, als ich rangehe, und mein Name klingt seidig und kratzig, ein perfektes männliches Timbre, das durch mich hindurchströmt und sich in dem tiefen Hohlraum meiner Seele breitmacht, den offenbar nur er ausfüllen kann.
    »Chris.« Meine Stimme bricht, denn verdammt, meine Augen brennen. Wie ist es möglich, dass ich, nachdem mich in den letzten Jahren kaum einmal etwas innerlich bewegt hat, binnen Wochen ins Gegenteil verfalle? »Ich … ich wünschte, du wärst hier.«
    »Ich bin hier, Baby«, sagt er, und ich glaube, ich hoffe, dass ich seine eigenen
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