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Entfuehrung nach Gretna Green

Titel: Entfuehrung nach Gretna Green
Autoren: Karen Hawkins
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er irgendwo auftauchte. Lord Ravenscroft war umso entschlossener, in der Gesellschaft erfolgreich zu sein, doch nach dem unglücklichen Beginn seiner Bemühungen wurde alles nur von Tag zu Tag schlimmer. Bald erschien es ihm, als müsste er mit jedem Tag, den er sich länger in London aufhielt, mehr Kränkungen erdulden.
    Irgendjemand hatte das Gerücht in die Welt gesetzt, er sei ein unbedeutender Mann mit wenig Verstand und bar jeder Gewandtheit auf dem gesellschaftlichen Parkett. Eine absolut lächerliche Unterstellung. Er verfügte über mehr Geist als die meisten anderen Männer, das hatte ihm seine Mutter mehr als einmal gesagt. Außerdem war er sich seines charmanten Auftretens sehr sicher, denn schließlich war er der Liebling der Yorker Gesellschaft gewesen. Was seine Bedeutung betraf, so stammte seine Familie von Bloody Jack Ravenscroft ab, dem ersten Wegelagerer, der einen Adelstitel besessen hatte. Eine solche Herkunft war schließlich nicht zu verachten, und es gab keinen Grund, darüber zu spotten!
    Unglücklicherweise war es jedoch schwierig, einen Ruf, den man einmal hatte, wieder loszuwerden; und nur ein beträchtliches Vermögen würde dafür sorgen, dass die vornehme Gesellschaft ihn doch noch anerkannte. Deshalb hatte Ravenscroft, der verzweifelt war und nichts zu verlieren hatte, angefangen zu spielen. Leider erlaubten ihm seine beschränkten Geldmittel kaum Verluste, und so kam es, dass es ihm innerhalb einer Woche, in der er immer verzweifeltere Wetten abschloss, gelang, fast das gesamte Geld, das ihm noch zur Verfügung stand, zu verlieren.
    Selbst wenn er nicht gerade über den allerschärfsten Verstand verfügte, brauchte Ravenscroft nicht lange, um zu begreifen, dass er einen Fehler begangen hatte, der nicht wieder rückgängig zu machen war. Ihm war rasch klar geworden, dass ihm nur noch ein Weg aus der Misere blieb: Er musste eine reiche Erbin heiraten.
    Da er in der Londoner Gesellschaft jedoch nicht akzeptiert war, kannte Ravenscroft keine Erbinnen. Die einzige hochgestellte Dame, mit der er näher bekannt war, war Miss Venetia Oglivie, die Tochter von Ravenscrofts einzigem Fürsprecher in der Gesellschaft. Einer Bemerkung von Venetias Vater hatte er entnommen, dass dieser, obwohl nicht ausgesprochen wohlhabend, die Absicht hatte, einiges Geld in die Mitgift seiner Tochter zu investieren. Daran hatte Ravenscroft sich vor Kurzem erinnert. Denn eine bedeutende Mitgift, in Verbindung mit einer Ehefrau, die bereits einen Platz in der besten Gesellschaft Londons hatte, würde Ravenscroft genau dorthin bringen, wo er hinwollte.
    Fast konnte er schon den Stapel Einladungskarten vor sich sehen, den er jeden Morgen auf seinem Frühstückstablett vorfinden würde - während Venetia ihn über den Tisch hinweg liebevoll anstrahlte, bevor sie gemeinsam planten, an welchen Vergnügungen der besseren Gesellschaft sie teilnehmen wollten.
    Und es war die wahre Liebe, dachte Ravenscroft, während er seine Liebste ansah, die ihm in der Kutsche gegenübersaß. Sie war vom Hals bis zu den Zehen in einen pelzgefütterten Umhang gewickelt, eine gefütterte Haube bedeckte ihre Locken, und eine dicke Decke wärmte ihre Beine.
    Aber nicht einmal Ravenscroft, der bis über beide Ohren in sie verliebt war (neben der Tatsache, dass er ihr Vermögen brauchte), konnte sich einreden, in ihren grauen Augen etwas anderes als Irritation zu sehen, wenn sie ihn anschaute.
    „Ravenscroft, wann halten wir endlich an? Sie müssen nur einfach dem Kutscher sagen, er soll langsamer fahren und nach einem Gasthof Ausschau halten.“
    „Wir machen bald eine Pause. Ich verspreche es.“
    „Das haben Sie vor dreißig Minuten schon gesagt.“ Ravenscroft hatte bereits den Mund geöffnet, um ihr zu antworten, als das Glitzern ihrer Brosche ihm ins Auge stach. Hinterhältig blitzte ihn das Schmuckstück vom Kragen ihres Umhangs her an. Er rieb nachdenklich seine Hände und erwiderte: „Ich würde dem Kutscher befehlen, langsamer zu fahren, aber ich fürchte, wir werden nach einer Pause in diesem Schneetreiben nicht mehr weiterkommen.“
    Misstrauisch sah sie ihn an. Er hatte sich vorgestellt, sie würden diese Reise damit verbringen, gemeinsam zu lachen, miteinander zu plaudern und sich gegenseitig Geschichten aus ihrer Jugend zu erzählen. Nicht einen Gedanken hatte er daran verschwendet, dass sie so argwöhnisch sein könnte.
    Die Kutsche fuhr über eine tiefe Furche, und Ravenscroft musste sich an seinem Sitz festklammern, um
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