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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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und eine gigantische Welle Musik schwappte uns entgegen und riss uns mit sich in die Dunkelheit, die nur von den glühenden Spitzen unzähliger Zigaretten erhellt wurde, in der Hunderte Stimmen gegen den ohrenbetäubenden Krach der Band anschrien und sich der Geruch des Alkohols süß in jeden meiner Atemzüge drängte.
    Der Taxifahrer draußen - es kam mir vor, als wäre dies meine letzte Chance. Meine letzte Chance, etwas zu unternehmen, so zu tun, als würde es mich interessieren, als wäre ich ein normaler Mensch.
    »Nasty!« Ich fand mich in einer leicht schwankenden Umarmung wieder. »Ich steh total auf deine Haare! «, schrie mir meine Freundin Mal ins Ohr, so laut sie konnte. »Komm tanzen! Der DJ ist total super!« Sie legte den Arm um meine Schultern und zog mich in den dunklen Raum mit der niedrigen Decke.
    Ich zögerte nur eine Sekunde.
    Dann ließ ich die Außenwelt hinter mir zurück, einfach so, und tauchte ein in den Lärm und den Rauch. Ich war immer noch entsetzt, und da ich meistens eher gut drauf bin, war das wirklich außergewöhnlich. Ich hatte mich von Incy abgesetzt, weil ich nicht wusste, was ich von der Sache halten sollte. Er hatte gerade etwas getan, das vermutlich das Schlimmste war, was ich ihn jemals hatte tun sehen. Schlimmer als diese Sache mit dem Pferd des Bürgermeisters, damals in den Vierzigerjahren. Schlimmer als die Geschichte mit dem armen Mädchen, das ihn in den 1970er-Jahren tatsächlich hatte heiraten wollen. Das war eine echte Katastrophegewesen. Irgendwie hatte ich es trotzdem geschafft, mir diese Situationen zu erklären, ihnen einen gewissen Sinn zu geben. Doch diesmal fiel mir das wirklich schwer.

    Mit einem Grinsen machte sich Incy auf in die Menge, in der bereits erste Anflüge von Interesse aufflammten - bei beiden Geschlechtern. Incy war unwiderstehlich, ein wahrer Magnet, und die meisten Leute, Menschen und Unsterbliche gleichermaßen, waren gefesselt von seinem Charme, der, wie mir plötzlich bewusst geworden war, eine viel dunklere Seite verbarg, als ich bisher gedacht hatte.
    Zwanzig Minuten später lag ich auf einer klebrigen Couch, schwer beschäftigt mit Mals Freund Jase, der fröhlich, betrunken und zum Anbeißen süß war. Ich wollte in ihm versinken, jemand anders sein, die Person, die Jase von außen sah. Er war nicht unsterblich und wusste auch nicht, dass ich es war, aber er war eine willkommene Ablenkung, auf die ich mich mit nervöser Hast warf. Rund um uns herum redeten, rauchten und tranken die Leute, während ich meine Hände unter seinem Hemd hatte und er seine Beine um michschlang. Seine Finger gruben sich in meine kurzen schwarzen Haare und es traf mich wie ein Schlag, als ich plötzlich eine warme Brise im Nacken spürte.
    Ich fuhr zurück, griff hektisch nach meinem Tuch und schlang es eilig wieder um den Hals, als ich Incy sagen hörte: »Nas? Was ist das da auf deinem Nacken?«
    Ich blickte über die Schulter zu Incy, der mit einem Drink in einer Hand und einer langen Zigarette in der anderen am Ende der Couch stand. Seine Augen sahen in der Dunkelheit wie zwei große schwarze Löcher aus. Mein Herz schlug wie verrückt. Jetzt bloß nicht überreagieren. »Nichts.« Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich wieder auf Jase fallen, der begierig nach mir griff.
    »Nas?« Incys Stimme war ruhig, aber entschlossen. »Weißt du eigentlich, dass ich deinen Nacken bisher noch nie zu sehen gekriegt habe? «
    Ich zwang mich, kurz aufzulachen, und schaute zu ihm auf, obwohl Jase gerade versuchte, mich wieder zu küssen. »Sei nicht blöd, klar hast du. Und jetzt verzieh dich. Ich habe zu tun.«
    »Ist es ein Tattoo?«
    Ich zog das Tuch enger um meinen Hals. »Ist es. Da steht: Wenn du das hier lesen kannst, bist du verdammt noch mal zu nah dran. Und jetzt zisch ab!«
    Incy lachte zu meiner Erleichterung und ging. Kurze Zeit später sah ich, wie sich ein hübsches schlankes Mädchen in Satin wie eine Schlange um ihn ringelte.
    Ich ließ nicht zu, dass sich der Taxifahrer in meine Gedanken drängte. Jedes Mal, wenn sein Anblick in meinem Kopf auftauchte, kniff ich die Augen zu und nahm noch einen Drink. Doch im nächsten Moment war alles wieder da: sein Gesicht und der Schmerz, der sich darin eingegraben hatte. Er würde nie wieder gehen, nie wieder fahren, weil Innocencio ihm das Rückgrat gebrochen und ihn im Regen auf einerLondoner Straße liegen lassen hatte, schlimmer als
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