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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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und roch erstaunlich gut für jemanden, der ganze Dörfer massakriert hatte. Ich konnte den Blick nicht von dem dreieckigen Stück Haut unter seinem Hemdkragen abwenden und musste an die Verbrennung auf seiner Brust denken. Erst danach registrierte ich seine Worte.
    »Was?« Mein Magen krampfte sich zu einem kalten Knoten zusammen. Als Verteidigungswaffen waren Tupperdosen echt ungeeignet.
    »Du könntest mich für die Rolle umbringen, die ich in deiner schlimmsten Erfahrung gespielt habe. Dann bringe ich dich für die Rolle um, die du in meiner schlimmsten Erfahrung gespielt hast. Wir beide haben Geschwister, Eltern und Freunde unter grauenhaften Umständen verloren. Jetzt sind nur noch wir übrig, die Erbin des Hauses von Ulfur und ich, der Erbe des Hauses von Erik dem Blutrünstigen. Du und ich, wir sind alles, was noch da ist.«
    »Und du meinst, wir sollten einander umbringen und das war's dann?« Ich runzelte die Stirn. »Ich wüsste nicht, wie das gehen soll.«
    Sein Mundwinkel zuckte. »Wir könnten uns an den Händen halten und in eine Industrie-Turbine springen.«
    Ich starrte ihn an. »Findest du das witzig?«
    Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ich finde, es sind vierhundert Jahre vergangen. Wenn du Rache gewollthättest, hättest du mich damals verfolgen sollen.«
    »Ich war zehn Jahre alt!«
    »Ich war kaum zwanzig!«
    Wir funkelten einander eine ganze Weile an.
    »Kaum zwanzig?«, sagte ich schließlich. »Nicht zweihundert oder so?«
    Reyn schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Vater war damals fünfhundert. Ich hatte drei Brüder. Einer war vierhundertsechzig.Einer zweihundertneunundneunzig. Einer hundertvierundsiebzig. Ich war zwanzig. Damals konnte ich nicht begreifen, was es bedeutet, unsterblich zu sein.«
    »Und die sind alle gestorben?«
    »Ja«, sagte er bitter. »Einer ist in dieser Nacht gestorben. Die anderen beiden starben mit meinem Vater, als er versuchte,das Amulett deiner Mutter zu benutzen.«
    »Wieso bist du nicht auch gestorben?« Das wäre so praktisch gewesen.
    »Ich weiß es nicht. Wieso hast du diese Nacht überlebt?« »Meine Mutter ist auf mich gefallen - ich war unter ihrem Rock verborgen.«
    Wir schwiegen beide, versunken in Erinnerungen, die so viel schmerzhafter waren, wenn sie in ihrem Versteck bleibenmussten. Es verblüffte mich, dass es tatsächlich jemanden gab, mit dem ich über diese Nacht reden konnte, jemanden, der dabei gewesen war.
    Reyn atmete aus. »Was jetzt? Finden wir uns damit ab? Bringen wir einander um? Soll einer von uns gehen? Eines kann ich dir sagen - ich werde es nicht sein.«
    »Ich will auch nicht gehen.« Die letzten beiden Monate waren die besten meines ganzen Lebens gewesen - und diegesündesten. Ich fühlte mich jetzt so anders; auch wenn ich oft noch mehr Schmerz verspürte, merkte ich doch, dass esdasselbe war, als würde man eine Blase aufstechen. Wenn die Erinnerungen erst einmal raus waren, waren sie nicht mehrso zerstörerisch.
    »Also bleiben wir beide«, sagte Reyn.
    Ich verzog das Gesicht. »Schätze schon. Bis mir etwas einfällt, was ich dir antun kann. Aber wenn du ein Gentleman wärst, würdest du freiwillig gehen.«
    Er grinste mich an und meine Lunge schrie plötzlich nach Luft. »Wir wissen doch beide, dass ich kein Gentleman bin.«»Allerdings, Und jetzt lass mich raus. Ich bin müde.« »Da ist noch etwas«, sagte er.
    »Was noch?«
    »Das hier.« Er trat so dicht an mich heran, dass die Plastikdosen zwischen uns eingeklemmt wurden. Seine Augen starrten direkt in meine, eindringlich und golden wie die eines Löwen.
    »Oh, nein, das wirst du nicht tun!«, zischte ich und ließ alles fallen. Ich stemmte mich gegen seine Brust - es war, alsversuchte man, einen Baum wegzuschieben.
    »Oh, doch«, sagte er sanft und beugte sich zu mir herab. »Ich werde.«
    Ich wand mich wie ein Aal. Ich versuchte, ihn zu schubsen und den Kopf wegzudrehen. Ehrlich. Aber er war so viel stärker ... und ich bin wirklich total verblödet, und als er mich festhielt und sein Mund meinen traf, konnte ich keinenzusammenhängenden Gedanken mehr fassen und jegliche Gegenwehr war vergessen.
    Gedanken wie Erzfeind, Gedanken wie ich hasse ihn, Gedanken wie Nell ist ein Problem verflogen wie Rauch im Wind.

    Ich löste mich von ihm, hin-und hergerissen und verwirrt und so voller Verlangen, dass meine Brust wehtat. Mühsambrachte ich nur ein »Wieso?« heraus.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte er. »Ich
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