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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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Gestank war unbeschreiblich. In den Flammen lag das Amulett meiner Mutter - zumindest die Hälfte davon. Die andere Hälfte, die mit dem Mondstein, fehlte. Ich sah mich hastig um, konnte sie aber nicht entdecken. Ich bückte mich, hob es auf, verbrannte mir die Hand und ließ es sofort wieder fallen.
    »Lilja, schnell!« Gilduns Stimme klang gedämpft und voller Angst. »Das Feuer!«
    Ich riss einen langen Streifen vom Saum meines Nachthemds. Den wickelte ich mir um die Hand, hob das Amulett auf und hielt den Blick unverwandt auf Gilduns Gesicht gerichtet. Fünf Schritte weiter war ich bei ihr. Stepan packte mich und zog mich in den schwarzen Tunnel. Gildun schloss die Tür hinter uns und griff nach ihrer Fackel. Stepan hielt mich an der Hand und rannte mit mir durch den Tunnel.
    »Warte!« Ich brauchte meine Hände. Also wickelte ich das Amulett in den Stoffstreifen und band ihn mir eng um den Hals. Dann nahm ich wieder Stepans Hand und wir drei rannten durch den niedrigen, schmalen Tunnel, der nach feuchter Erde roch.
    Es kam mir vor, als rannten wir stundenlang. Ich stolperte über Wurzeln und Steine und einmal musste Gildun mich wieder hochziehen, nachdem ich beinahe gefallen war.
    Schließlich erreichten wir einen riesigen Felsblock. Ein sehr schmaler natürlicher Spalt in diesem Felsen führte nach draußen, getarnt durch dichtes Buschwerk. Wir kämpften uns durch das Gestrüpp und ich erkannte, dass wir ein gutes Stück von der Burg entfernt auf einer schmalen Straße gelandet waren. Über die Schulter sah ich, dass mittlerweile das gesamte Bauwerk in Flammen stand.
    Ich wusste nicht, ob wir den ganzen Weg bis nach Aelfding rennen würden, aber ein paar Hundert Meter weiter wartete ein Bauer, den ich nicht kannte, mit seinem Heuwagen. In aller Eile gruben Gildun und Stepan ein Loch ins Heu, dann hob Stepan mich hoch und warf mich wie ein Paket auf den Wagen. Dann türmten sie mehr als einen Meter hoch Heu auf mich, allerdings so lose, dass ich noch Luft bekam, wenn auch nur mit Mühe.
    Der Bauer schnalzte seinem Esel zu und der schwere Wagen rumpelte los.
    Am nächsten Tag brachte mich der Bauer zu Mutter Berglind, die mich zu Gunnar Oddurssons Hof brachte, wo SunnaGunnarsson aus mir wurde. Lilja und ihr Leben waren Vergangenheit, ein geschlossenes Buch, das ich nie wieder aufschlagenwollte. Dort lebte ich sechs Jahre, bis zu meiner Heirat. Ich habe Gildun, Stepan und den Bauern nie wiedergesehen und keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist.

    Im Laufe der Zeit gewöhnte ich mich an mein Leben als Bauerstochter und der einzige Hinweis, dass ich jemals etwas anderes gewesen war, war die kreisförmige Verbrennung in meinem Nacken, wo sich das Amulett durch das Tuch in meine Haut gebrannt hatte. In jener Nacht hatte ich den Schmerz noch nicht einmal gespürt.
    Die Sonne stand hoch am Himmel-ich musste aufbrechen, wenn ich vor Sonnenuntergang wieder in Aelfding sein wollte. Plötzlich kribbelte mein Nacken und ich stand hastig auf und ließ den Blick über den entfernten Waldrand wandern. Da war nichts und niemand und erst da wurde mir bewusst, dass ich keinen einzigen Vogel gehört und auch kein Wildtier gesehen hatte. Nicht einmal Insekten. Dieser Ort war schlimmer als tot - er war verflucht.
    Ich nahm mein Bündel und machte mich auf den Weg zur Straße. Mein Gepäck fühlte sich plötzlich fünfmal schwerer an und meine Holzpantinen unerträglich schwer und klobig. Alles war irgendwie drückend; eine grässliche Stille lastete auf mir und erschwerte mir das Atmen. Ich eilte weiter. Es kam mir vor, als würde nicht einmal die Sonne hier so hell scheinen. Hier regierte die Dunkelheit, wie ein Schatten, von nichts geworfen, das lebendig war. Dieser Ort war durchtränkt von Horror, Blut und dem Bösen.
    Und dann traf mich der Schmerz. Ich krümmte mich und das Bündel fiel mir aus der Hand.
    ***
    Ich fuhr mit der Wurzelbürste über Titus' Beine und spürte seine Wärme und Kraft. Ich wünschte nur, ich hätte diese schicken Bürsten auch für Mossy gehabt. Natürlich hatte ich für sie getan, was ich konnte, aber in diesem schönen Stall mit dem Luxusheu wäre sie bestimmt glücklich gewesen. Das war alles so lange her. Das war damals, und jetzt war heute. Ich richtete mich auf, eine Hand auf Titus' Seite. Mir kam ein Gedanke, er blitzte auf wie ein grelles Licht, und ich erkannte verblüfft, was River gemeint hatte. Damals war ich dort gewesen,
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