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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt
Autoren: Cate Tiernan
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er genügend Heu hatte, und verzog mich in mein Zimmer, um in Ruhe nachzudenken.

30
    Nur ein winziges Stückchen ...
    Ich nahm einen weiteren Löffel voll Suppe, sah nur auf meinen Teller, konzentrierte aber meine gesamte Energie auf Nells Brötchen. Langsam atmete ich ein und aus und rückte ihr Brötchen ein kleines bisschen zur Seite, nur knapp aus ihrer Reichweite, immer und immer wieder.
    Einmal, zweimal, dreimal sah ich sie danach greifen, während sie mit Reyn plauderte, der nicht reagierte, und mit Lorenz, der auf sie einging, den Kopf zurückwarf und lachte. Jedes Mal griffen Nells Finger dorthin, wo sie ihr Brötchen abgelegt hatte, und jedes Mal griffen ihre Finger ins Leere. Dann nahm sie es mit einem Stirnrunzeln in die Hand, brach ein Stück davon ab und legte den Rest dichter an ihren Teller. Und ich rückte es dann ganz, ganz langsam wieder weg. Nur mit meinen unsterblichen super-duper Gehirnwellen. Es war ein unglaublicher Triumph.
    Ich war vorher schon im Esszimmer gewesen und hatte die nötigen Beschränkungsformeln aufgesagt, damit sich nicht die Brötchen von allen bewegten und bei Nell nur das Brötchen und nicht auch ihr Besteck oder ihr Glas. Ich hatte die Zauberbücher in der Bibliothek durchstöbert und die letzten beiden Tage in meinem Zimmer geübt. Ich machte tatsächlich weiße Magie: Nichts um mich herum starb, nichts bekam sein Leben ausgesaugt. Das war ich jetzt, eine Tähti, und ich benutzte mein Erbe unglaublicher magischer Kräfte. Natürlich benutzte ich es für etwas Fieses. War es deswegen keine weiße Magie mehr? Spielte die Absicht dieselbe Rolle wie die Methode? Darüber würde ich mir bestimmt irgendwann einen Vortrag anhören müssen.
    Ich glühte beinahe vor unterdrückter Aufregung und es kostete mich so viel Überwindung, nicht loszuprusten, dass ich Bauchweh davon bekam. Aber ich machte weiter. Und Nell war jetzt eindeutig irritiert. Eigentlich ist es eine Kleinigkeit, wenn ein Brötchen nicht da liegt, wo man es vermutet, aber gerade, weil es so eine Kleinigkeit ist, zweifelt man sehr schnell an seinem Verstand.
    Ich schluckte einen weiteren Löffel Suppe, kontrollierte meine Atmung und machte ein ausdrucksloses Gesicht. Zwei Plätze weiter klickten Nells wundervoll manikürte Fingernägel schon wieder auf den leeren Tisch. Diesmal starrte sie ihr Brötchen an und tastete dort herum, wo es eigentlich hätte liegen sollen.
    Beinahe hätte ich meine Suppe durch die Nase geprustet. Ich spürte, wie sie aufschaute und einen nach dem anderen unauffällig musterte. Soweit ich wusste, hatte hier noch nie jemand Magie auf diese Weise missbraucht. Aber seit der Geschichte mit dem zerfallenen Stein hatte Nell eine dezente, aber dennoch unübersehbare Show abgezogen. Sie hatte mich beobachtet, sich nicht in meine Nähe gesetzt und war  mir demonstrativ ausgewichen. Damit hatte sie allen zeigen wollen, dass die liebe, harmlose Nell mir nicht traute. Immerhinwar sie schon seit Jahren hier. Sie kannten sie. Ich dagegen war eine Fremde.
    »Ach, Nas, hast du heute Morgen im Garten das Zwiebelbeet aufgedeckt?«, fragte Brynne. Sie trug wieder ein buntesKopftuch, das einen merkwürdigen Kontrast zu ihrem dicken Norwegerpulli bildete. In letzter Zeit schienen es dieHeizkörper kaum noch zu schaffen, die Räume einigermaßen warm zu halten. Es ist ein ungewöhnlich kalter Winter, sagten die Leute.
    »Ja«, sagte ich und dippte mein Brot in die Suppe.
    »Hast du sie vor Sonnenuntergang auch wieder abgedeckt?«, fragte Asher.
    »Ja«, sagte ich und nahm mir noch mehr Gemüse.
    »Dieses Jahr werden wir keinen Spinat mehr bekommen, nicht mal aus dem Gewächshaus«, bemerkte Jess mit seinerGrabesstimme. Ich versuchte, enttäuscht auszusehen. Nell hatte ihr Brötchen jetzt in einem tödlichen Klammergriff und behielt es in der Hand. Ihr Lächeln hatte nun definitiv etwas Gezwungenes und ihr Lachen klang ein wenig zu schrill.
    Mit unschuldigem Gesicht aß ich langsam weiter und hörte zu, wie die anderen über die Weihnachtsfeier sprachen. »Wir haben einen extra Festtags-Baumstamm für den Kamin«, berichtete Charles. »Er liegt schon seit dem letzten Jahr in der Scheune.«
    »Wir machen das Feuer bei Sonnenuntergang an«, sagte Solis. »Wie sehen die Pläne unseres Kochteams aus?« »Charles, Lorenz und ich haben uns schon Gedanken gemacht«, meinte Anne. »Unser Speiseplan steht.«
    »Prima«, lobte Solis. »Meldet euch, wenn ihr Hilfe braucht.«
    »Ich kann Plätzchen
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