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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1)
Autoren: Paul Collmann
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den nur die Arbeiter und einige Soldaten zu benutzen pflegten, zum Schießplatz nach Kummersdorf. Es war noch dunkel, als sie in den Zug einstiegen, und selbst als sie ankamen, konnte man noch kaum auf mehr als 100 Meter im Umkreis die Gegenstände im Morgennebel erkennen. So war es nicht verwunderlich, dass die beiden stutzten und Franz sofort zur Pistole griff, als eine männliche Gestalt aus der Dämmerung wie aus einer Felswand heraus sich löste und geradewegs auf sie zu schritt. Es war nicht anders möglich, der Kerl wusste um ihre Ankunft und hatte ihnen aufgelauert.
    „ Geh voraus, ich fange ihn ab!“, raunte Franz und blieb breitbeinig stehen, der in einen langen Mantel gehüllten Gestalt gespannt entgegenblickend. Plötzlich wandte er sich heftig um – lachte Tess über ihn?
    „ Du, lass uns die Rollen tauschen!“, flüsterte Tess, die gar nicht weitergegangen war, „es ist ein Herr aus dem Generalstab, der mich sprechen will.“
    Unwillig riss sich Franz von seinem Vorsatz und seinem Kampfeswillen los und, mit einem bösen Blick auf den eben klar auftauchenden und höflich grüßenden Herrn, ging er, laut mit den Füßen scharrend, einige Hundert Schritte weiter.
    „ Verzeihen Sie, Baroness – diesen – unangekündigten Überfall!“, stammelte dieser in sichtlicher Erregung.
    „ Der ihnen leicht hätte gefährlich werden können, Herr Kirna!“, raunte Tess, ein bisschen lächelnd, auch ein bisschen ärgerlich. „Wenn sie mir etwas sagen wollen, machen Sie’s kurz, mein Herr, denn sie wissen ja, unser Dienst ruft, viel Zeit haben wir nicht mehr.“
    „ Gnädiges Fräulein, hören sie nur ein paar Worte: Sie müssen auch das Gefühl gehabt haben, dass wir so nicht – hm – voneinander scheiden können, nachdem …?“
    „ Nachdem??“
    „ Ach, ich bitte sie – (er griff nach ihrer Hand) – machen sie mir’s nicht so schwer! Wenn sie wüssten, was es mich gekostet hat, hier so – als – romantischer Schwärmer aufzutauchen, nachdem ich die ganze Nacht – aber das brauchen sie ja nicht zu wissen.“
    „ Ach!“, bedauerte Tess, „so hat unsere Unterredung sie …“
    „ … aufgewühlt! Sagen Sie’s nur! Dies kann nicht so enden, so ein sonderbarer Zufall. Nein! Dies ist eine Begegnung, die das Schicksal herbeigeführt, die – unser Schicksal wird – werden muss! Sie sind der Mensch, der mir von Tausenden ausgewählt wurde!“
    „ Ich muss unsere Unterredung abbrechen“, sagte Tess kühl. „Bitte, geben sie mir ihre Adresse – oder schreiben sie mir, aber jetzt leben sie wohl, ich muss zu meinem Dienst gehen!“
    Er schien erstarrt, fasste sich aber schnell, zog eine Brieftasche und wühlte eine Visitenkarte heraus. Tess nahm sie gleichmütig hin. Mit leichter Verneigung wandte sie sich um und schritt auf Franz zu, der ihr besorgt, mit schnellen Schritten entgegenkam. Sie blickten sich nicht mehr um, sie spürten nur den langen Blick, den ihnen die seltsame Bekanntschaft nachsandte, solange er sie noch sehen konnte, bis sie endlich zwischen Kiefern und Morgennebel verschwanden. Als sie an das Tor am Stacheldrahtverhau kamen, wurden sie von zwei bis an die Zähne bewaffneten Posten empfangen, denen sie ihren Ausweis vorzeigen mussten.
    „ Gott sei Dank!“, stöhnte Tess auf, „hier kann uns keiner mehr folgen, auch kein Generalstäbler!“
    Franz sah noch einmal gespannt auf die Freundin, er war im Begriff zu fragen, unterließ es aber, als er ihre Abneigung spürte.
    Sie dankte es ihm auf ihre Art; sehr glücklich war sie, dass er seit Tübingen solche Fortschritte gemacht hatte.
    Die beiden sahen sich um – die Kiefern waren in weitem Umkreis wegrasiert, alles war flacher Sand, ausgeebnet wie eine Tenne. Kein Karnickel konnte sich unentdeckt an das Haus heranschleichen. Nur eine riesige, säulenschlanke Kiefer hatte man stehen lassen, als Naturdenkmal, vielleicht auch, weil sie unüberwindbar erschien. Gut, dass man vor diesem, die Jahrhunderte überdauernden, Exemplar haltgemacht hatte! Überdies lag sie im Gesichtskreis der äußeren Posten, die jenseits des Stacheldrahtes das Gelände überwachten.
    Im Institut fanden sie Riemenschneider schon vor, er brachte mit Ebersbach gerade einige Kisten in die große Halle.
    „ Das ist unser Arbeitspensum heute, meine Herren!“, rief er erfreut, dass sie nun alle beisammen waren. „Die Soldaten bringen es wie immer vors Haus, das übrige besorgen wir alleine.“ In diese heiligen Hallen kam keiner, der nicht die
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