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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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einschnappen, geräuschlos. Wer auchimmer hier schlief, sollte nicht von einem Luftzug oder dem Einrasten des Schlosses geweckt werden.
    Ich ging in die Hocke und bewegte mich vorsichtig auf allen vieren vorwärts, oder genauer gesagt, auf drei Gliedmaßen, wie ich es in der Spezialausbildung gelernt hatte. Streck einen Arm vor, die Waffe in der Hand. Halte dich niedrig, dann bist du wahrscheinlich unterhalb der Schusslinie.
    Meine Pistole lag im Wagen, in einem Werkzeugbeutel im Reservereifen. Ich redete mir ein, dass hier drinnen wohl niemand auf mich schießen würde. In flachen Sätzen preschte ich voran wie ein Menschenaffe, die freie Hand vorgestreckt, bereit, den Angreifer zu schlagen oder ihm die Finger gegen den Kehlkopf oder in die Augen zu rammen.
    Die Wohnung war eine genaue Kopie der anderen im Erdgeschoss, bis hin zu den einfachen Möbeln. Sie stammten aus der Konkursmasse eines Hinterwäldlermotels. Ich hatte mir überlegt, dass die gebrauchten grauen Sofagarnituren ordentlich genug aussahen, Küchentisch und Stühle zum Frühstücken taugten und die Betten professionellem Gebrauch gewachsen waren.
    Das Wohnzimmer war leer. Auf dem Fußboden lagen zusammengeknüllte Kleider, einige Pizzakartons und eine leere Bierflasche sowie Postwurfsendungen, die offenbar mit einem Fußtritt aus der Diele ins Wohnzimmer befördert worden waren.
    Noch war die Wohnung einigermaßen aufgeräumt, doch die Warnzeichen waren unverkennbar.
    Ich hatte genug Fixerbuden gesehen, die sich innerhalb einiger Monate aus menschlichen Behausungen in Sauställe verwandelt hatten. Diese Wohnung stand am Beginn desselben Prozesses.
    Das eine Schlafzimmer war leer, allerdings war das Bett benutzt worden. Ich legte die Hand auf das zerknautschte Laken. Es fühlte sich kühl an.
    Die Tür zum zweiten Schlafzimmer war angelehnt. Vorsichtig, damit sie nicht in den Angeln quietschte, schob ich sie auf. Schwere, verbrauchte Luft flutete mir entgegen. Ich hatte keine trainierte Spürnase wie ein Drogenhund, doch den zugleich süßen und säuerlichen Geruch witterte auch ich.
    Der Mann hing halb aus dem Bett. Der Anblick erinnerte an ein Foto, das Klicken des Verschlusses hatte die Bewegung unterbrochen. Man hatte den Eindruck, der vom Bett gerutschte Oberkörper müsse weitergleiten und den Rest des Körpers mit sich ziehen.
    Im schwachen Licht schimmerte die Haut des Mannes gelblich. Er hatte Pickel auf den Schultern, seine Extremitäten waren dünn und staksig wie Vogelbeine. Der Mann atmete schwer. Rotz hing ihm unter der Nase, und aus dem halboffenen Mund floss zäher Speichel. Ich wusste, dass er sich auf einem Herointrip befand, überprüfte meine Diagnose aber, indem ich einen Finger hinter sein Ohr presste und sein Augenlid anhob. Er war tief bewusstlos.
     
    Ich kannte den Mann. Wjatscheslaw Bursow, genannt Slawa, behauptete, er stamme aus Moskau. Wahrscheinlich kam er tatsächlich aus einer der Millionenvorstädte der Hauptstadt, war in einem der Betonwohntürme aufgewachsen, wo die heile Welt an der gepolsterten und mit drei Schlössern gesicherten Wohnungstür endete.
    Slawa hatte sich in Russland als kleiner Ganove durchgeschlagen, hatte gestohlen, Schuldner eingeschüchtert und auf den Toiletten der Tanzbars Drogen verkauft. Bald war er selbstseiner Ware verfallen, und zwar vollständig. Doch er hatte es geschafft, sich zu retten, den Leimschnüfflergangs in der Kanalisation und den vollgepinkelten Treppenhäusern zu entkommen. In letzter Minute hatte er sich an Jesus und an eine verständnisvolle Frau geklammert und seine Sucht überwunden. Dann war er nach Finnland gekommen, hatte seine bisherigen Kreise verlassen.
    Eines Tages hatte Slawa bei mir vor der Tür gestanden und nach Arbeit gefragt, egal welcher Art. Ich hatte zuerst den Kopf geschüttelt, ihn dann aber probeweise eingestellt, hatte ihn Baumüll entsorgen und Waren über die Grenze bringen lassen. Schließlich hatte ich ihm die Aufgabe übertragen, meine Mietwohnungen zu putzen und zu kontrollieren.
    Slawa Bursow war hochgewachsen, und in voller Bekleidung wirkte er kräftig und einschüchternd. Auf seinen Armen prangten klecksige Tätowierungen wie Leistungsabzeichen auf dem Halstuch eines Jungen Pioniers. Halbnackt, wie er jetzt war, sah er aus wie ein Schwächling.
    Am Fußende des Bettes entdeckte ich das Spritzbesteck. In einem offenen Etui lagen ein Feuerzeug und ein Löffel, mit denen Slawa den Stoff erhitzt und geschmolzen hatte, außerdem eine Spritze aus
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