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Engelsschmerz

Engelsschmerz

Titel: Engelsschmerz
Autoren: Mathilda Grace
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bevor wir vor zwei Jahren die Koffer gepackt, New York City den Rücken gekehrt, und zu dritt nach Greenville in dieses Haus außerhalb der Stadt gezogen waren. Seither kam sie in regelmäßig wieder zwischen uns auf. Gerade jetzt, kurz vor Weihnachten, konnte man, abgesehen von alten Serien und Filmen, eigentlich nur den Kopf darüber schütteln, was TV-Sender für Blödsinn im Programm hatten.
    Kein Wunder, dass bei uns, wenn der Fernseher überhaupt an war, eher Nachrichten- oder Musikkanäle liefen, denn die konnte man ertragen. Wäre da nicht diese eine Serie gewesen, die Janosch sich immer ansah, 'White Collar', hieß sie, hätten wir unseren Fernseher in meinen Augen abschaffen können. Aber da das nicht nur mein Fernseher war und ich außerdem nicht der Einzige in diesem Haus war, der auf den Oberkörper von Matt Bomer stand, blieb der Fernseher wo er war, und bot uns somit immer wieder aufs Neue Stoff für Diskussionen, die meist darin endeten, dass wir den DVD-Player oder eben einen Nachrichten- oder Musiksender anschalteten.
    Ein Holzscheit im Kamin zerbrach mit einem Krachen, was mich zusammenzucken ließ. Die perfekte Grundstimmung für eine Horrorgeschichte. Zwei Männer allein in einem Haus, ein Feuer im Kamin und kein Licht, weil es durch das Wetter einen Stromausfall gegeben hatte. Fehlte nur noch der irre Mörder, der sich durch die Hintertür Zutritt ins Haus verschaffte.
    „Halloween“, schlug ich leise vor, was mir umgehend einen resignierten Blick einbrachte. Ich kannte die Filmreihe in- und auswendig, trotzdem ärgerte ich Baxter und Janosch ständig damit, weil sie nicht auf Horrorfilme standen. „Na gut, dann Freitag, der 13.“ Baxter stöhnte auf. „Was denn? Das sind beides Klassiker.“
    „Bei denen du schon mitreden kannst“, widersprach Baxter wenig begeistert.
    Ich schaute ihn gespielt empört an. „Gar nicht wahr. Okay, bei Halloween schon. Außerdem benutzt keiner ein Messer so schön wie Michael Meyers.“
    Baxter sah mich stirnrunzelnd an an. „Du kannst es nicht lassen, oder? Du weißt genau, dass ich solche Filme hasse.“
    „Und?“
    Das darauf in meinem Gesicht landende Couchkissen ließ mich grinsen und dabei fast das energische Klopfen an der Tür überhören. Ich sah zur Uhr auf dem Fernseher. Es war schon nach elf und um diese Uhrzeit verirrte sich niemand aus der Stadt mehr zu uns, schon gar nicht bei so einem Schneesturm, wie wir ihn gerade erlebten. Das Klopfen wiederholte sich.
    „Wahrscheinlich ist jemand draußen in einer Schneewehe steckengeblieben“, überlegte Baxter und als dieser Jemand im nächsten Augenblick vor der Tür hustete, stand er auf. „Nicht noch so einer. Wer immer das ist, wir können ihn nicht vor der Tür stehenlassen. Der holt sich den Tod bei dem Wetter.“
    Manchmal war mir Baxter ein wenig zu arglos, aber so war er einfach und bei seiner Statur bestand auch nicht die Gefahr, dass ihn irgendwer einfach hinterrücks überfiel. Außerdem lag es in Baxters Natur, sich Sorgen um die Menschen in seiner Nähe zu machen, was an sich eine tolle Charaktereigenschaft war, wenn man mal außer Acht ließ, dass da vor der Tür auch ein Irrer mit einer Axt stehen konnte, aber diesen Gedanken behielt ich lieber für mich.
    Baxter seufzte. „Nein, Logan, da draußen steht kein Typ mit einer Axt.“
    Ich zuckte ertappt zusammen.
    „Du liest eindeutig zu viele Horrorromane. Und jetzt mach' die Tür auf. Ich setze Kaffee auf.“
    „Wieso denn ich?“, wollte ich empört wissen, was mir einen tadelnden Blick einbrachte. „Schon gut, schon gut.“
    Baxter verschwand in Richtung Küche und ich erhob mich, um die Haustür zu öffnen. Es war immer das Gleiche mit ihm. Wenn er es nicht musste, machte Baxter keinem die Tür auf. Nicht aus Unhöflichkeit, sondern weil er Unbekannten durch seine Statur ständig Angst einjagte, was abseits von Halloween für ihn nicht gerade lustig war. Die Leute in Greenville hatten ein Jahr gebraucht, um die Scheu vor Baxter zu verlieren und daran hatte er heute noch zu knabbern.
    Es lag also an mir, die Tür zu öffnen, höflich zu bleiben und dabei herauszufinden, was los war. Das Lächeln sparte ich mir allerdings, es hätte mir ohnehin niemand als echt abgekauft. Ich lächelte seit zwei Jahren nicht mehr. Von Lachen ganz zu schweigen. Janosch und Baxter gelang es zwar ab und zu, mir ein Grinsen zu entlocken, aber mehr war nicht drin.
    Mit einem genervten „Ja?“ zog ich die Tür auf und erstarrte auf der Schwelle,
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