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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht
Autoren: Lauren Kate
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»Perfekt«, sagte sie dann, machte einen Schritt auf sie zu und hakte sich bei ihr ein. »Ich könnte sowieso gerade einen neuen Sklaven gebrauchen.«
    Die Flügeltür der Eingangshalle ging auf und der Junge mit den grünen Augen kam wieder herein. Kopfschüttelnd sagte er zu Luce: »Die scheuen hier wirklich vor nichts zurück und schauen sogar in deiner Unterhose nach. Wenn du also auch noch irgendwo Waffen versteckt haben solltest«, mit hochgezogener Augenbraue ließ er mehrere unidentifizierbare Teile in die Schachtel fallen, »dann spar dir lieber den Ärger.«
    Hinter Luce kicherte Arriane leise. Der Kopf des Jungen fuhr hoch, und als er Arriane bemerkte, öffnete er erst den Mund und schloss ihn dann wieder, als wüsste er nicht so recht, wie nun fortfahren.
    »Arriane«, sagte er schließlich.
    »Cam«, erwiderte sie.
    »Du kennst ihn?«, sagte Luce erstaunt, die sich fragte, ob es in Besserungsanstalten wohl auch Cliquen wie an ihrer privaten Highschool in Dover gab.
    »Erinnere mich nicht daran«, sagte Arriane und zog Luce zur Tür hinaus. Hinaus in einen grauen und feuchten Vormittag.
    An der Rückseite des Hauptgebäudes führte ein Weg mit
rissigem Asphalt entlang. Dahinter erstreckte sich eine freie Fläche, die so hoch von Gras überwuchert war, dass sie eher an ein unbebautes Grundstück als an den Sportplatz einer Schule erinnerte. Aber eine verblichene Anzeigetafel und Zuschauertribünen behaupteten etwas anderes.
    An dieser Freifläche befanden sich vier schmucklose Gebäude: der Betonblock des Wohnheims ganz links an der Seite, eine riesige, hässliche alte Kirche ganz rechts und in der Mitte zwei weitere Gebäude, in denen Luce die Klassenzimmer vermutete.
    Und das war es dann auch. Ihre ganze Welt beschränkte sich von nun auf das, was sie hier vor Augen hatte. Auf diesen erbärmlichen Anblick.
    Arriane schwenkte sofort vom Weg ab, überquerte die freie Fläche und setzte sich mit Luce auf eine der feuchten Holzbänke der Zuschauertribüne.
    In Dover hatte das Spielfeld nach dem harten Training für die Aufnahme in eine der Mannschaften der Ivy-League-Universitäten gerochen, deshalb hatte Luce es immer vermieden, dort herumzuhängen. Aber diese leere Fläche mit den verrosteten, verbogenen Toren erzählte eine vollkommen andere Geschichte. Eine Geschichte, die für Luce nicht leicht zu entziffern war. Drei Truthahngeier schwebten am Himmel und ein scheußlicher Wind fuhr durch die nackten Äste der Eichen. Luce vergrub das Kinn im Rollkragen ihres Pullovers.
    »Sooo«, sagte Arriane schließlich. »Nun hast du Randy kennengelernt.«
    »Ich dachte, er heißt Cam.«
    »Von dem rede ich doch nicht«, sagte Arriane hastig. »Ich meine diese Mannfrau da drin.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung des Büros, wo sie den Wachhund vor dem
Fernseher allein gelassen hatten. »Was glaubst du - Mann oder Frau?«
    »Ähm, Frau, oder?«, sagte Luce. »Ist das ein Test?«
    Arriane musste lachen. »Der erste von vielen. Und du hast ihn bestanden. Zumindest glaube ich, dass du ihn bestanden hast. Das Geschlecht der meisten Aufsichtspersonen und Lehrer hier an der Schule ist immer wieder Stoff für lange Diskussionen. Aber keine Sorge, das packst du schon.«
    Luce beschloss, das für einen Witz von Arriane zu halten - und dass ihr solche Witze gefielen. Aber was für ein riesengroßer Unterschied zu ihrer alten Schule in Dover. Dort waren die zukünftigen Senatoren mit Seitenscheitel, Pomade im Haar und grün-gestreiften Krawatten diskret durch die Gänge gehuscht, die Schritte durch Teppiche und viel Geld gedämpft.
    Nicht selten hatten die anderen Jugendlichen in Dover Luce Blicke zugeworfen, die ihr zu verstehen gaben: Pass bloß auf, dass du unsere weißen Wände nicht mit deinen Fingern beschmutzt! Luce versuchte sich Arriane in dieser Umgebung vorzustellen: auf den Bänken herumlungernd, mit ihrer rauen Stimme laut einen dreckigen Witz reißend. Sie versuchte sich vorzustellen, was Callie wohl von Arriane halten würde. So ein Mädchen hatte es in Dover nicht gegeben.
    »Okay, jetzt spuck’s schon aus«, befahl Arriane. »Was hast du denn angestellt, dass sie dich hierher verbannt haben?«
    Arriane fragte das ganz locker, aber Luce wurde plötzlich leicht schwindelig. So lächerlich das vielleicht sein mochte, sie hatte trotzdem gehofft, den ersten Schultag hinter sich zu bringen, ohne von der Vergangenheit eingeholt zu werden. Sie wollte nicht, dass die dünne Schutzschicht, die sie um sich gelegt
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