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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nicht los und bereitete ihr äußerstes Unbehagen.
    Dann wiederum schlichen sich Zweifel ein. Ob das alles wirklich wahr war? Brigittes Äußerungen drängten sich in den Vordergrund. Pass auf, was Milla sagt. Die lügt wie gedruckt, nur um im Mittelpunkt zu stehen. Die ist wie eine Klette. Du wirst sie nicht mehr los.
    Wenn man jemand anderem ein Schuldgefühl einredete, wurde man ihn nicht mehr los. Vielleicht war alles nur Berechnung.
    Franca war hellwach. Und fühlte sich gleichzeitig hundemüde. Ihr Herz schlug heftig. Sie sah auf die Uhr, drei Uhr morgens. Schließlich erhob sie sich, ging in die Küche und setzte Wasser auf. Vielleicht half Millas Beruhigungstee.
    Damals habe ich dich gehasst!
    Mit einer unheimlichen Wucht hatte Milla diesen Satz von sich geschleudert, der Franca mitten ins Herz traf. Die Worte zogen sich stets aufs Neue durch ihr Gehirn, hallten unermüdlich nach. Sie waren bei ihr, als das Wasser sprudelnd zu kochen begann. Sie waren bei ihr, als das heiße Wasser über die getrockneten Teeblätter floss.
    Ein fremder Duft stieg auf, sie inhalierte das Aroma. Ließ den Tee ein wenig ziehen. Dann goss sie sich eine Tasse ein, blies eine kleine Vertiefung in die Flüssigkeit. Dampf traf ihr Gesicht. Sie nippte vorsichtig. Das schmeckte wirklich gut. Machte sie leicht. Nicht lange danach spürte sie eine wunderbare Entspannung.
    Sie schenkte sich eine zweite Tasse ein, stellte sie samt der Teekanne auf ein Tablett und nahm beides mit ins Schlafzimmer. Im Bett trank sie die Tasse halb leer und schlief ein. Erleichtert, dass sich ihre Sorgen in wunderbar duftige Bilder auflösten, die ihre sorgenvollen Gedanken überdeckten.
    Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Sie spürte eine Angst, die ihr den Atem raubte. Ihr Herz schlug rasend, als ob es aus ihrem Brustkorb hüpfen wollte. Sie schnappte nach Luft. Aus dem Dunkel flogen ihr hässliche Fratzen entgegen, die lange, durchsichtige Schleier hinter sich herzogen. Sie duckte sich, um ihnen auszuweichen. Doch sie blieben an ihrer Seite. Alles um sie herum drehte sich. Ein Schleier landete auf ihrem Gesicht und nahm ihr die Luft zum Atmen. Ihr Kopf dröhnte. Sie bekam keine Luft mehr. Wollte weg. Nur weg. Wände und Zimmerdecke bewegten sich wellenartig auf sie zu und schlugen mit lautem Knall zusammen.
    Ihr Körper bebte. Was war das nur? Immer tiefer verkroch sie sich in die Kissen, doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass sie aufwärts stieg und mit schneller Geschwindigkeit durch die Luft segelte. Dann stürzte sie im Tiefflug nach unten, wurde mittendrin gestoppt wie beim Bungee-Springen. Es wurde abwechselnd hell und dunkel, Gestalten hoben sich grell aus dem Nichts, kamen grinsend auf sie zu. Bilder setzten sich zusammen und lösten sich im gleichen Moment wieder auf. Ihre Sinne waren überreizt. Sie fühlte sich verfolgt von bösen Mächten. Ihr Atem ging stoßweise. Sie wagte kaum den Kopf zu bewegen, weil jede Bewegung schmerzte. Mit Mühe unterdrückte sie den Impuls, aufzuspringen und wegzulaufen. Sie lag ganz still und versuchte, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen.
    Was war nur mit ihr los? Etwas Derartiges hatte sie noch nie erlebt. Sie hatte das Gefühl, neben sich zu stehen und auf sich herabzublicken, obwohl sie genau wusste, dass sie im Bett lag. Im Mund hatte sie einen metallischen Geschmack. Der Schwindel und ein diffuses Übelkeitsgefühl kamen wie eine Brandung über sie.
    Was hatte sie gegessen? Was hatte sie getrunken? Ihr Blick fiel auf die Kanne Tee und die halb leere Tasse auf ihrem Nachttisch. Millas Traumtee beschert dir süße Träume… Über diesen Gedanken dämmerte sie weg. Sie schwebte im Nichts. Wie ein Vogel flog sie davon.
     
    Als sie wieder aufwachte, war sie am ganzen Körper nass. Ihr Herz schlug Kapriolen, geriet außer Takt. Sie versuchte, tief Luft zu holen, doch ihre Brust war zu eng, um die Luft hineinzulassen.
    Angestrengt versuchte sie, die Übelkeit, die sie schubweise überfiel, auszublenden, was ihr nicht gelang. Schweiß drang aus allen Poren. Vor ihren Augen begann ein Flimmern. Torkelnd wie bei hohem Seegang schaffte sie es gerade noch zur Toilette. Dort übergab sie sich zitternd. Blieb eine Weile vor der Kloschüssel sitzen. Dann ging sie zurück in ihr Bett und legte sich wieder hin. In ihrem Kopf drehte sich ein Kreisel, der grellbunte, spiralförmige Muster hinterließ. Ihre Kehle war rau und wund. Widersprüchliche Gefühle stritten sich in ihr. Einerseits wollte sie weglaufen,
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