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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst
Autoren: Joerg Kastner
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und es gelang ihr, die aufsteigende Panik unter Kontrolle zu halten.
»Wer sind Sie?« rief sie den Unbekannten entgegen
und hoffte, daß das leichte Zittern ihrer Stimme nicht
auffiel. »Nennen Sie bitte Ihre Namen!«
Keine Antwort. Statt dessen traten zwei nur schemenhaft erkennbare Gestalten auf sie zu, ohne jede
Eile, wie Raubtiere, die sich ihrer Beute sicher sind.
Elena ließ den Schirm fallen, schaltete die Lampe
aus, wandte sich in Richtung Kloster und lief los. Daß
ihre Füße schnell durchnäßt und ihre Jeans bis zu den
Knien mit Schlamm bespritzt waren, machte ihr am
wenigsten Sorgen. Denn auch die beiden Unbekannten begannen zu laufen. Ihre Schritte verursachten
häßliche Schmatzer auf dem schlammigen Boden.
Elena erreichte das Kloster zuerst und zwängte sich
durch die Überreste des Portals. Ohne sich groß aufzuhalten, rannte sie quer über den Innenhof und
tauchte in den Schatten eines größeren Gebäudes ein.
Die dumpfe Luft jahrhundertelanger Verlassenheit
umfing Elena, und ihre Schritte hallten in dem langen
Gang wider. Sie kannte sich hier nicht aus, also lief sie
einfach drauflos in der Hoffnung, ihre Verfolger in
der Dunkelheit abschütteln zu können.
Eine Abzweigung und noch eine, schließlich gelangte sie in einen großen Raum voller Schutt. Sie
stolperte, fiel hin und prallte mit dem rechten Knie
gegen einen scharfkantigen Stein. Sie schluckte den
Schmerzensschrei hinunter und widerstand der Versuchung, die Stablampe einzuschalten, um sich zu orientieren.
Der blasse, durch die Wolken getrübte Schimmer
des Mondlichts, der durch die scheibenlose Fensteröffnung hereinfiel, reichte nicht aus, um die Umrisse
des Raums auszuleuchten. Elena hockte auf dem Boden, starrte in die Finsternis und lauschte ihrem rasselnden Atem, der ihr verräterisch laut erschien.
Draußen auf dem Gang war alles ruhig, und mit einer
Spur von Erleichterung fragte sie sich, ob sie die beiden Unbekannten tatsächlich abgehängt hatte.
Kaum hatte sie das gedacht, hörte sie vorsichtige,
leise Schritte. Ihre Rechte umkrampfte den metallenen
Stab der schweren Lampe – ihre einzige Waffe. Sie
spannte sämtliche Muskeln an, bereit, jeden Augenblick aufzuspringen und aus dem Raum zu stürmen.
Das Problem war nur, daß die einzige Türöffnung auf
den Gang führte, durch den sie gekommen war und
auf dem sich jetzt die Schritte näherten. Schon erschien eine schemenhafte Gestalt in der Türöffnung.
Elena hielt den Atem an und betete, daß der Unbekannte, dessen Gesicht im Dunkel verborgen war, sie
nicht sehen konnte. Vielleicht verschmolz sie, so ihre
vage Hoffnung, mit dem finsteren Raum.
Vergingen Sekunden oder Minuten? Elena konnte
die Luft nicht länger anhalten. Also atmete sie so leise
wie möglich, und wartete darauf, daß ihr Verfolger
endlich weiterging, um woanders nach ihr zu suchen.
Aber nein, er trat näher, kam geradewegs auf sie zu!
»Ich habe dich entdeckt«, ertönte zufrieden eine
rauhe Stimme und rief dann laut: »Hier ist sie, am Ende des Gangs!«
Es konnte nicht lange dauern, bis er Verstärkung
erhielt. Wenn Elena etwas unternehmen wollte, mußte
sie es sofort tun. Sie schnellte hoch, dem Unbekannten
entgegen, hieb mit der Stablampe nach seinem Kopf –
und traf, begleitet von einem dumpfen Geräusch. Ein
kehliges Aufstöhnen, und der Fremde taumelte zur
Seite, stolperte über irgendwelchen Müll oder herausgebrochenes Mauerwerk und fiel zu Böden. Elena hastete hinaus auf den Gang – wo sie gegen jemanden
prallte. Starke Hände packten sie und schleuderten sie
gegen die Wand. Die Lampe entglitt ihr und fiel mit
einem lauten Scheppern zu Boden.
Schnell bückte sie sich danach, aber noch bevor sie
sich wieder aufrichten konnte, ging ein schwerer
Schlag auf ihren Hinterkopf nieder. Ein stechender
Schmerz durchfuhr sie, und mit dem Gefühl, in einen
endlosen Schacht zu stürzen, versank sie in einer alles
verschlingenden Dunkelheit.
2
Rom

G
rauschwarze Wolken hingen über Rom, als
    Alexander Rosin in der Morgendämmerung
seinen alten Peugeot den Quirinal hinauflenkte, den
höchsten Hügel der Stadt, auf dem der Überlieferung
zufolge die Sabiner gelebt hatten, bevor sie von den
Römern unterworfen wurden. Ihrem Kriegsgott Quirinus, der dem römischen Gott Mars hatte weichen
müssen, verdankte der Hügel seinen Namen, hieß es.
Heute war der Quirinal Sitz des italienischen Staatspräsidenten – und der römischen Polizei.
    Alexanders Unruhe wuchs, als das
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