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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Georg Haderer
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Ermittlungstechnisch gab es keine Fortschritte: Die letzte gesicherte Begegnung hatte am 26. Mai mit dem Nachbarn, Peter Wedekind, stattgefunden. Danach war Schäfer offensichtlich nicht mehr in seiner Wohnung gewesen oder hatte sich bei ihnen bekannten Personen gemeldet. Bankomat- und Kreditkarten waren nach diesem Tag nicht mehr belastet worden, das Mobiltelefon außer Betrieb. Es gab keine Ticketbuchungen bei Luftlinien, keine Aufnahme in Krankenhäusern unter Schäfers Namen und zum Glück auch noch keine nicht identifizierten Leichen aus dem EU-Raum, die Ähnlichkeiten aufwiesen. Insgesamt ein Status, der ein Verbrechen nahelegte und das Eingreifen ihrer Dienststelle rechtfertigen würde – also, weshalb zögerten sie noch? Vielleicht, weil Schäfer offensichtlich einiges an Gepäck mitgenommen hatte; weil er ein Mensch war, der seine Gedanken und Vorhaben oft genug vor seinen Kollegen und Freunden verborgen hatte; weil es ihm zuzutrauen war, dass er aus einer psychisch instabilen Verfassung heraus beschlossen hatte, nach Südamerika oder Südostasien zu verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Vielleicht hatte Kamp es mit einer entsprechenden Weisung aber auch deshalb nicht eilig, weil er die mörderische Logik fürchtete, die ihrem Beruf immanent war: Indizien, die eine Ermittlung rechtfertigten, waren schon allein wegen des mangelnden Personals sehr nahe an einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Anders gesagt: Wenn sie eine Leiche suchten, fanden sie meistens eine oder zumindest Teile davon.
    Deshalb überraschte es Bergmann auch, als Kamp nach den üblichen Phrasen von unter Beweis gestellter Kollegialität, Professionalität und Führungsvermögen ihr Gespräch vom Vortag in sehr freier Interpretation wiedergab.
    „Wie ich gestern mit Chefinspektor Bergmann besprochen habe, werden Sie alle unter seiner Führung die Ihnen zugeteilten Aufgaben in gewohnter Weise erledigen … im operativen Ablauf sollten wir allerdings einige Änderungen einführen: Ermittlungsschritte, die nicht unbedingt sein Mitwirken erfordern, werden in zunehmendem Maße ohne ihn durchgeführt … muss ja nicht sein, dass er jede Befragung im Außendienst wahrnimmt, wie das Major Schäfer gern praktiziert hat … das will ich auf keinen Fall als Kritik an dessen Vorgehen verstanden wissen, das – wie Sie alle wissen – in den meisten Fällen erfolgreich war … doch in puncto Organisation sollten Sie in Zukunft so funktionieren wie andere Ermittlungsgruppen auch … das erfordert ein höheres Maß an Eigenverantwortung und professioneller Delegation, was ich Ihnen allen und vor allem Chefinspektor Bergmann ohne Weiteres zutraue … und es sollte Ihrem Vorgesetzten auch mehr Spielraum geben, um die Fahnder bei der Suche nach Major Schäfer zu unterstützen … ja, wenn sich das als Zeitverschwendung herausstellen sollte und Schäfer in den nächsten Tagen auftaucht, dann trete ich ihm persönlich in den Arsch, das verspreche ich Ihnen … aber wir sind es ihm auch schuldig, dass … nun gut, an die Arbeit …“
    Zurück im Büro, ordnete Bergmann gedankenverloren seine Unterlagen und begann ein Organigramm zu erstellen, in dem er die Aufgaben seiner Mitarbeiter eintrug – solch eines als Vorlage in Schäfers Computer zu suchen, kam ihm erst gar nicht in den Sinn.
    Jetzt war er also Gruppenleiter. Eine Position, die in seiner Karriereplanung ohnehin vorkam. Doch unter diesen Umständen … er bezweifelte, dass irgendwer im Haus ihn heute fragen würde, ob sie am Abend die Beförderung feiern wollten. Irgendwie fühlte er sich als Lückenfüller … wie ein Übergangspapst nach dem Giftmord am alten … plötzlich kam ihm der Gedanke, dass nach dieser Beförderung irgendein Spinner glauben könnte, dass er selbst Schäfer weggeschafft hatte … ein leichtes Spiel: er als die wichtigste Bezugsperson seines Vorgesetzten, vertraut mit all seinen Gewohnheiten und Eigenheiten, sogar mit einem Schlüssel für dessen Wohnung ausgestattet … nichts leichter, als ihn unter einem Vorwand irgendwohin zu locken, zu töten und spurlos zu beseitigen … wem, wenn nicht ihm als Freund und gleichzeitig Beamten der Kriminalpolizei könnte so ein Verbrechen besser gelingen? Hatte er sich nicht oft genug mit ihm gestritten und seine Methoden kritisiert? Hatte er ihn nicht sogar vor einem Jahr in Gegenwart von Kovacs geohrfeigt und beschimpft? Er lächelte bitter und schrieb auf das A2-Papier, das er an die Wand gepinnt hatte, unter Motiv:
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