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Engel sterben

Engel sterben

Titel: Engel sterben
Autoren: Eva Ehley
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ziemlich schnell einen Käufer finden werden.«
    Mona Hofacker sagt es leise, lässt die Worte in die Hitze des Sommertags tropfen, wo sie ungehört zu verglühen scheinen. Monas Gesprächspartner jedenfalls ist mit seinen Gedanken weit weg.
    Eine erste Besichtigung bleibt immer ein sensibles Geschäft, das weiß die Maklerin sehr gut. Sie ist keine Anfängerin, sondern seit mehr als sechs Jahren in der Branche. Und obwohl sie seit vier Jahren die Niederlassung der Firma hier auf der Insel betreut, hat sie noch nie ein Angebot wie dieses gehabt.
    Das Haus auf dem Hügel ist im Friesenstil erbaut, natürlich reetgedeckt, wie es die Bauvorschriften erfordern. Es wirkt trotz seiner Größe nicht protzig, aber sehr solide. Genau das, was die bestsituierten unter Mona Hofackers Kunden suchen, denn hier handelt es sich eindeutig um ein Objekt, das mehrere Millionen wert ist. Niemand verkauft ein solches Kleinod ohne Not oder sonst einen zwingenden Grund. Und natürlich fragt sich die Maklerin: Warum will Markus Rother diese Villa verkaufen?
    Ein knapper Seitenblick bestätigt Mona in ihrer ersten Einschätzung des Eigentümers. Rother wirkt glaubhaft vermögend, guter Haarschnitt, teure Uhr, teure Schuhe, bewusst saloppe Kleidung, auf dem Kopf eine Schiebermütze aus leichtem Stoff, wie sie bei Cabrio-Fahrern modern ist. Auch Rothers Wagen mit dem Düsseldorfer Kennzeichen gehört in die sehr gehobene Kategorie. Wenn Mona sich nicht ganz täuscht, handelt es sich um das größte Cabriolet, das Mercedes-Benz derzeit im Angebot hat. Der Wagen ist nagelneu. Kein Notverkauf also. Ein Erbfall, hat Rother in ihrem kurzen Telefonat vor wenigen Tagen erklärt. Doch es war etwas in seinem Tonfall, das sie zweifeln ließ.
    Dies ist Monas erstes Treffen mit dem neuen Kunden, und sie hat sich auf ein längeres Gespräch eingestellt. In der Regel sind die Verkäufer äußerst redewillig, fast schon geschwätzig in ihrem Bemühen, ihre Immobilie im besten Licht erscheinen zu lassen. Doch Markus Rother schweigt. Und es ist nicht nur seine Wortkargheit, die irritierend auf Mona wirkt, es ist vielmehr seine gedankliche Abwesenheit, die angesichts des Werts dieser Villa sehr sonderbar ist.
    Jetzt zum Beispiel steht er seit mindestens dreißig Sekunden neben ihr vor der Tür des Friesenhauses und starrt auf den Schlüssel in seiner Hand.
    »Sie klemmte immer«, murmelt Rother. »Susanne konnte es nicht lassen, sich mit ihrem ganzen Gewicht an die Klinke zu hängen und, die Tür zwischen den Beinen, hin und her zu schaukeln.«
    »Susanne?«
    »Meine Schwester. Sie lebt nicht mehr.«
    Mit einer hastigen Bewegung schiebt Rother den Schlüssel ins Schloss und will ihn drehen. Nichts.
    »Vielleicht hat das Salz in der Luft das Schloss angegriffen«, hilft Mona. »Sie sagten ja, das Objekt habe lange leer gestanden.«
    »Dreißig Jahre.«
    »Oh.«
    Während die Maklerin versucht, sich einen Reim auf diese Information zu machen, rüttelt Markus Rother an dem Knauf oberhalb des Schlosses. Nichts. Dann hebt er ihn und damit die ganze Tür ein winziges Stück an. Jetzt dreht sich der Schlüssel im Schloss, die Tür schwingt auf. Mona erwartet, dass der Eigentümer als Erster das Haus betreten wird, doch Markus Rother macht keinen Schritt. Vielmehr starrt er wortlos in die geräumige Diele, als komme von dort etwas auf ihn zu. Nur was? Die Diele ist leer.
    »Darf ich?«
    Zögernd betritt Mona das Haus. Die Luft ist stickig und schwer vom Staub vieler Jahre. Eine feine helle Schicht ruht auf Möbeln und Boden. Es wirkt wie Schimmel. Oder wie der erste Schnee zu Beginn des Winters. Im Näherkommen sieht Mona, dass es sich um Sand handelt, den der Wind Jahr für Jahr durch die Ritzen der Fenster gedrückt haben muss. Mehrere Reihen von Fußspuren führen durch den hellen Sand. Vermutlich ist Markus Rother schon einige Male im Haus gewesen, ohne sich um die Beseitigung der feinen Dünenlandschaft auf dem Fußboden zu kümmern.
    »Haben Sie jemanden an der Hand, der hier einmal durchputzen kann? Sonst könnte ich eine zuverlässige Hilfe vermitteln. – Herr Rother?«
    Fragend sieht Mona sich um.
    Markus Rother steht immer noch in der Tür. Sein Blick scheint die Treppe zu erklimmen, die sich links von der Eingangstür befindet. Es ist ein Blick, der sich Stufe für Stufe hinauftastet – auf den Spuren einer Erinnerung, die Mona nicht teilt und an der Rother die Maklerin deutlich sichtbar auch nicht teilhaben lassen wird.
    Auf einer der oberen
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