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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes
Autoren: Jo Zybell
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knochige Mann in der frackartigen roten Lederjacke und mit der blauen ISK-Kappe auf dem weißen Langhaar sank zurück in den Kommandantensessel.
    Sein Vogel flatterte von der Armlehne und landete über ihm auf der Sessellehne. Besorgt betrachtete der Reeder von Doxa IV die kleinen Arbeitssichtfelder vor sich auf der Konsole.
    Das Bordhirn gab Maschinenwarnung: Die Energiekammern glühten, die Druckfusionsreaktoren waren fast leer. Zu weit und zu oft hintereinander gesprungen vor lauter Angst.
    Jetzt aber brauchten die Triebwerke eine Ruhepause; und die Treibstoffautomatik Zeit, um neues Glaurux in die Reaktoren zu schaffen.
    »Und nun zu euch!« Sein zerfurchtes Gesicht wandte sich der jungen Frau im Navigationsstand zu.
    Sie war nicht besonders groß und von sehniger Gestalt. Ein dunkler Lederanzug hing ihr in Fetzen vom Leib. Die Farbe ihrer Haut erinnerte Yaku an polierte Bronze. Blutige Schrammen bedeckten ihr schönes Gesicht, ihre langen schwarzen Locken waren teilweise versengt. Venus hieß sie.
    »Wart ihr das, die den havarierten Frachter auf Doxa IV notgelandet haben?« Das rechte Auge des Weißhaarigen musterte Venus neugierig, aber ohne Mißtrauen. Unter dem weißen Gestrüpp der linken Braue steckte eine schwarze, glanzlose Kugel in der Augenhöhle. Venus vermutete, daß er damit sogar besser sah als mit seinem gesunden Auge. Sie nickte.
    Hinter der Frontkuppel rotierten mittlerweile bunte Lichtspiralen durch rotleuchtende Schwaden. Die JERUSALEM sprang durch das Hyperuniversum noch ein Stück näher ans galaktisches Zentrum heran. »Und wo kommt ihr her?«
    Er sprach vom Bruder der Frau, von einem Kugelroboter und von ihr selbst. Den Kugler hatte Yaku zerstört, als er die Eindringlinge kurz nach dem Blitzstart zwischen Zentrale und Lifteinstieg seines Omegafrachters gestellt hatte. Ihr Bruder saß unter ihnen auf Ebene II und versuchte die Jobs eines Aufklärers und eines Kommunikators zu erledigen. Und Venus? Nun, im Navigationsstand hockte sie, wie gesagt, und jetzt staunte sie schon wieder die dicht an dicht stehenden Sterne jenseits der Frontkuppel an.
    Als wäre sie nie zuvor im Grenzbereich des Milchstraßenzentrums gewesen , dachte Yaku. Sie hielt sogar die Rechte schützend über ihre zusammengekniffenen Augen, als würde das in der Tat gleißende Licht sie blenden. Yaku fuhr den Lichtfilter hoch, die Helligkeit in der Zentrale nahm ab.
    »Ich dreh' ab, ich werde wahnsinnig«, tönte die Stimme des Jungen aus dem Bordfunk. »Schaut euch das an, ich ertrage es nicht …!« Die Stimme überschlug sich. Sie klang nicht nach Entsetzen, sie klang nach Begeisterung. »Soviel Licht! So viele Sonnen!«
    Yakus Neugier schlug in Erstaunen um. Sie hatten tatsächlich keine Ahnung, wie das Zentrum der Milchstraße aussah? Zeigte man den Kindern der Republik nicht spätestens in der Grundstufe der Kinderakademie Bilder des galaktischen Zentrums? »Wo ihr herkommt, habe ich gefragt!«
    »Von Genna im System Maligniz«, antwortete Venus. »Und jetzt stehen wir in K 289 Süd P 2 Strich 9 HLB 98,3 Strich 81,2 Strich 13,6. TPD 28 982 Lichtjahre. Etwa 2319 Lichtjahre jenseits der Republikgrenze …«
    »Ich glaube es nicht, ich glaube es nicht …« Der Junge in Ebene II hatte sich noch immer nicht beruhigt. Er hieß Plutejo. »… nur noch 5677 Lichtjahre vom Zentrum der Milchstraße entfernt … schön, wunderbar, göttlich …! Keine auffälligen Objekte …! Unglaublich herrlich …! Wir sind noch mit 67 Prozent Lichtgeschwindigkeit unterwegs …!«
    »Kommandant an Ebene II!« rief Yakubar Tellim Richtung Mikros. »Komm auf den Boden zurück, mein Sohn!«
    Die Freudenrufe des Burschen verstummten.
    »Genna, sagten Sie?« Sein rechtes Auge wurde zu einem Schlitz. Yaku Tellim hatte mal einen Sträflingstransport nach Genna geflogen. Damals war er Subhauptmann der Flotte gewesen. Über dreißig Jahre her. Oder länger noch? Wie auch immer: Genna gehörte zu den acht Dutzend mehr oder weniger lebensfeindlichen Planeten der Republik, auf denen Sträflinge Bodenschätze abbauten; Glaucauris in der Regel, manchmal auch Quoditan oder ähnliches. In Genna arbeiteten und lebten die Sträflinge unter einer mehr als kilometerdicken Eisdecke. »Was, bei allen Teufeln der Milchstraße, sollte Jungvolk wie ihr auf Genna verloren haben?«
    »Wir sind dort geboren«, antwortete die Bronzefarbene mit einer Selbstverständlichkeit, in der andere Bemerkungen über das Wetter oder die miese Bezahlung bei der Flotte
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