Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
schließlich mit den Bildern anderer Neuigkeiten und Nachrichten bunt mischte. Am Anfang der Woche machte es Schlagzeilen, am Ende der Woche stand es zwar immer noch auf der ersten Seite der New York Times, aber schon weiter unten.
    Und die Titelseiten der Illustrierten explodierten geradezu von grellbunten Bildern der Ereignisse, und dann war die nächste Ausgabe fällig, und eine neue Story war an der Reihe.
    Die Welt nahm ihren Lauf. Ich vertiefte mich in deine Bücher, Jonathan, ich las sie in der Nacht und ging am nächsten Tag zu deinem Haus in New York.
    Ich folgte dir hierher, wollte dich unbedingt finden. Du erinnerst dich. Du hattest hohes Fieber.
    Und den Rest kennst du ja. Ich kann immer noch eine andere Gestalt annehmen. Ich kann immer noch unsichtbar umherrei-sen. Doch mich in eine andere Person zu verwandeln wird immer schwieriger für mich. Verstehst du?
    Verstehst du? Ich bin kein Mensch. Ich bin der unbeschränkte, vollkommene Geist, der zu sein ich mir einst in jenen dunklen Stunden erträumte, als Rebellion und Hass die einzigen Quellen meiner Lebenskraft zu sein schienen.
    Ich weiß nicht, was geschehen wird. Du hältst nun meine Geschichte in Händen. Ich könnte dir noch mehr erzählen, von jenen schlechten Gebietern, von kleinen unwichtigen Dingen, die ich gesehen habe, doch all das wird zu gegebener Zeit ans Licht kommen.
    Hier endet mein Abenteuer. Hier endet es. Und ich bin nicht tot. Ich bin stark, ich bin ohne Makel. Ich bin vielleicht unsterblich. Was glaubst du, warum wohl? Was will Gott noch von mir?
    Werden Rachel und Esther mich vergessen? Liegt das in der Natur der Herrlichkeit, die jenseits des Lichts besteht, dass man vergisst und nur erscheint, wenn man gerufen wird?
    Ich habe gerufen, wieder und wieder habe ich gerufen. Aber sie antworten nicht. Ich weiß, sie sind geborgen. Ich weiß, dass ich vielleicht eines Tages auch dieses Licht erblicken werde. Darüber hinaus weiß ich, der Sinn des Lebens ist, lieben zu lernen, und nichts anderes habe ich nun vor. Ist es das Blut Gregorys, das mich zum Wanderer macht? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ich bin heil und ganz, und diesmal handelte ich zu meinem eigenen Besten, so gut ich es vermochte.
    Ich tötete, ja, doch es war nicht, um etwas zu erlangen, sondern um etwas zu verhindern. Ich tat es nicht, um einem Gebieter zu nützen, sondern um einen Gebieter aufzuhalten. Ich tat es nicht wegen einer bestimmten Idee, sondern um vieler Ideen willen. Ich tat es nicht um einer Lösung willen, sondern für diese Welt, deren Mysterium sich uns nur zögernd offenbart. Ich tat es auch nicht, um zu sterben - nicht um der Heroik dieser endgültigen Entscheidung willen -, obwohl ich das doch mehr als alles andere wollte, diese Großartigkeit der endgültig getroffenen Wahl zu sterben. Nein, was ich tat, tat ich nicht wegen all dieser Dinge. Ich tat es für das Leben - damit die Menschen sich weiterhin damit mühen können. Ich wandte mich ab von dem Licht, und dann erschoss ich den Mann, der die hochfliegenden Pläne hatte.
    Das vergiss niemals, Jonathan, vergiss es nicht, wenn du die Geschichte niederschreibst. Ich erschoss Gregory Belkin. Ich nahm ihm das Leben.
    Hat Gott für mich einen besonderen Platz geschaffen? Hat er es mir leicht gemacht? Sandte er mir Visionen und Zeichen?
    War mein Gott Marduk ein beschützender Geist? Oder waren er und all die anderen Geister, die ich sah, nur Träume des einsamen menschlichen Herzens, das sich seinen Himmel bis in alle Ewigkeit neu gestaltet.
    Vielleicht ist die Geschichte chaotisch. Ein weiteres Kapitel in der unendlichen Sage von den harschen und doch fantastischen Unternehmungen des sündhaften menschlichen Willens, vom verkrüppelten und dennoch blendenden Ehrgeiz kleiner Seelen. Meiner, Gregorys ... Vielleicht sind wir alle nur kleine Seelen. Aber denke daran, ich habe dir gesagt, dass ich dies alles sah. Und als ich mich vom Licht des Himmelreichs abkehrte, beging ich einen weiteren Mord. Der Tod war immer ein Teil meiner Geschichten, von Anfang an.
    Und doch weiß ich letztendlich nicht mehr über den Tod, als jeder lebendige, sterbliche Mensch auch. Vielleicht sogar weniger, als du darüber weißt.«

    Teil IV

    Wehklage

    Weine nicht, mein Kleines.
    Weine.
    Ich weiß, ein Frosch aß einen weißen Falter.
    Der Frosch weinte nicht.
    Deshalb ist er ein Frosch.
    Der Falter weinte nicht.
    Nun ist er nicht mehr.
    Mein Kleines, weine nicht. Weine. So vieles muss man tun.
    Auch ich will
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher