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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten
Autoren: Anne Rice
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Gregorys, identifiziert wird. Meinetwegen sag einfach, dass ich dein guter Enkel bin. Das alles ist sehr undurchsichtig, verworren. Und ich glaube, ich sterbe.‹
    Sarahs Gesicht flackerte in meinem Blickfeld auf: ›Nathan?‹, hauchte sie. Ich winkte ihr mit letzter Kraft zu, sie solle das Ohr dicht an meine Lippen halten, und flüsterte: ›Nathan ist nicht mehr. Er ist mit Gott. Ich sah ihn in den Armen derer, die er liebte. Habe keine Angst. Du musst keine Angst haben. Ich werde diesen Körper, solange es geht, am Leben erhalten. Hilf mir.‹
    Sie konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen, dabei streichel-ten ihre Hände meine Stirn.
    Eine Stimme sagte: ›Wir verlieren ihn! Alles raus hier! Raus!‹
    Die Welt um mich versank in Nebel, ein vages Gefühl endgültigen Wissens dämmerte in mir, und Frieden überkam mich, wie ich ihn angesichts des Lichtes gefühlt hatte, die Erinnerung daran war lebendig wie ein Duft. Der Nebel verdüsterte sich, hellte sich dann wieder auf. Ich merkte, dass man mich transportierte, dass ich in einem aufwärts fahrenden Aufzug war. Und dann trübte sich der Nebel noch stärker, und eine schattenhafte Gestalt erschien neben mir. Ich war mir nicht sicher, ob das gut oder schlecht war, doch dann, als sie sprach, erkannte ich die Stimme, die in griechischer Sprache flüsterte: ›Der Sinn ist, zu lieben und zu verstehen und zu werten .. .‹
    Alles war schwarz. Ich glaube, ich dachte: ›Werden die Stufen erscheinen? Endlich? Könnte es wohl so sein, nach allem, was ich getan habe?‹ Dann nichts mehr.
    Ich erwachte in einem Raum, den sie Intensivstation nannten.
    Man hatte mich mit Maschinen verbunden, und Schwestern wimmelten um mich herum. Die Größen des Staates warteten darauf, mit mir zu sprechen, leitende Männer der Armee und der Regierung.
    Ich merkte, dass man die Schmerzen betäubt hatte; meine Zunge lag geschwollen in meinem Mund. Ich war wahrhaft ein Sterblicher, ein völlig hilfloser Sterblicher! Und ich konnte diesen Körper nicht verlassen. Denn es war der einzige Körper, aus dem heraus ich mit ihnen sprechen konnte und dem sie zuhören würden.
    Der Rabbi tauchte auf. Ich sah die schwarze Kleidung und sein weißes Haar, ehe ich sein Gesicht erkannte. Dann spürte ich seine Lippen an meinem Ohr. Dieses Mal sprach er den alten aramäischen Dialekt, damit nur ich ihn verstehen konnte:
    ›Man hat sie aufhalten können. Aus den DNA-Unterlagen der Klinik geht hervor, dass du Gregory bist. Ich habe erklärt, dass der Tote ein Dämon war, der meinen Enkel verkörpern wollte.

    Das ist, in gewisser Weise, die reine Wahrheit. Die »Tempel vom Geiste Gottes« hat man überall in der Welt eingenommen, die Wissenschaftler und führenden Köpfe geben auf.
    Viele sind schon verhaftet worden. Das Werk des Bösen ist gestoppt worden.‹ Er seufzte tief. ›Das haben wir dir zu verdanken.‹
    Ich versuchte, seine Hand zu drücken, doch ich spürte meine Hände nicht, und nur nach und nach merkte ich, dass man sie an den Seiten des Bettes festgeschnallt hatte. Seufzend schloss ich die Augen. ›Ich möchte hier sterben, wenn ich darf‹, sagte ich zu dem Rabbi, auch ich sprach Aramäisch.
    ›Ich möchte hier, im Körper deines Enkels, sterben. Wenn Gott mich nehmen will. Wirst du mich begraben?«
    Er nickte. Und dann schlief ich - einen leichten, kummerdurch-zogenen sterblichen Schlaf. Es war schon späte Nacht, als ich erwachte. Die Schwestern hielten sich jenseits der gläsernen Wände auf. Nur Monitore und Maschinen leisteten mir Gesellschaft. Und der Rabbi schlief in einem Sessel nahe dem Bett.
    Mit heftiger Erschütterung bemerkte ich, dass ich mich in meinem eigenen Körper befand. Ich war auch äußerlich Asrael.
    Es brauchte meinen ganzen Willen, um mich wieder in Nathan zu verwandeln. Doch das Fleisch seines Körpers war totes Fleisch. Das Ganze war eine Illusion. Ich konnte Nathans Körper mit meinem geistigen Körper umgeben und so Bewegungen erzeugen, doch den Körper als solchen in Besitz zu nehmen, war mir nicht mehr möglich.
    Ich drehte den Kopf zur Seite und weinte. ›Wo sind die Stufen, du, mein Gott? Habe ich denn noch nicht genug gelitten?‹
    Und wieder war ich Asrael. Die Verwandlung ging so einfach vor sich wie Atmen; die Nadeln und sonstigen medizinischen Instrumente hatten keine Verbindung zu mir. Ich stand auf, stark, ganz und heil, gekleidet in meine babylonischen blauen und goldenen Lieblingsgewänder. Kinn- und Schnurrbart, alles war da. Ich war
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