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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit
Autoren: L Jensen
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Erden.
Offenbarung.
Darnach sah ich, und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel
.« Stimmen fallen ein und sprechen die Worte mit.
»Und die erste Stimme, die ich gehört hatte mit mir reden wie eine Posaune, die sprach: Steig her, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll.«
Entfesselter Applaus. Neben Frazer Melville wiegt sich eine große schwarze Frau im roten Kleid hin und her. Bei ihr ein kleiner Junge mit Down-Syndrom, er schließt die Augen und summt verträumt vor sich hin. »Ja, ihr Menschen. Wir werden aufgefangen und ins Königreich des Himmels eintreten! Wir werden durch diese Tür gehen! Ich bin einer von vielen, die diese gute Neuigkeit in unserem Tempel verkünden.« Krall hält inne, und sein Ausdruck verändert sich. »Doch geht es heute nicht nur um uns und unsere Freude. Vor allem trauern wir um unsere Lieben, die Gott nicht |378| gefunden haben und in der Trübsal zurückbleiben. Ja, wir trauern um sie. Und erbitten Stärke. Lasst mich euch noch etwas sagen.« Er blickt auf und dreht sich langsam um. Sein Gesicht auf den riesigen Bildschirmen zeigt tiefe Nachdenklichkeit. »Heute hat Gott uns das Privileg einer besonderen Aufgabe verliehen, bevor wir in ihm befreit werden. Ja. Heute hat Gott uns eine Herausforderung gesandt.« Er holt tief Luft und atmet langsam aus. »Und ich gestehe es euch, ihr Menschen. Für mich ist es eine ganz besondere Herausforderung.«
    Ein interessiertes Raunen geht durch die Menge. Krall nutzt den Impuls, schaut sich erwartungsvoll um und deutet mit einem kleinen Lächeln auf das andere Ende des Stadions. Frazer Melville ergreift meine Hand und hält sie ganz fest.
    »Gelobt sei der Herr!«, ruft Krall, und sein Lächeln verwandelt sich in den überirdischen, erfüllten Ausdruck eines Mannes, der wahrhaft liebt.
    »Halleluja«, stößt meine Nachbarin hervor.
    »Oh nein«, sagt Frazer Melville und deutet auf den Riesenbildschirm.
    Bethany.
    Sie steigt die Stufen zur Bühne hinauf. Ich schaue mich um, kann sie aber nicht entdecken und wende mich wieder den Bildschirmen zu. Sie geht ruckartig und steif, als hätte sie ihren Körper noch nicht wieder unter Kontrolle. Die beiden Bewacher bleiben hinter ihr, die Finger an die Kopfhörer gedrückt, als warteten sie auf weitere Anweisungen. In dem kolossalen Amphitheater sieht Bethany winzig aus, wie ein Zwerg. Dann holt die Kamera sie näher heran, und auf einmal ist sie riesengroß auf der Leinwand, die Augen tiefliegend und dunkel, die Pupillen erweitert.
    »Das ist Bethany Krall!«, kreischt eine Frau irgendwo hinter mir. »Das ist seine Tochter! Sie hat ihre eigene Mutter umgebracht! Sie hat den Teufel im Leib!« Woanders hört man ähnliche Schreckensschreie.
    |379| »Immerhin wissen wir jetzt, wo sie ist«, sage ich leise zu Frazer Melville.
    »Nein!«, schreit eine Stimme links von uns. Joy McConey ist aufgesprungen und schüttelt die Faust in der Luft. »Tu’s nicht, Len! Nein! Ich kenne sie! Ich kenne sie!«
    Doch Krall kann sie nicht hören. Oder er will es nicht.
    Die Blume fällt von Joys Perücke, und sie setzt sich resigniert hin. Die Kerze fällt ihr herunter, ihr Gesicht verzerrt sich.
    Der Chor hebt die Arme und summt das Lied, das wir eben gesungen haben.
Es liegt Kraft, Kraft, Kraft, wundersame Kraft   …
Die Gläubigen zeigen auf Bethany, in ihren Gesichtern lese ich eine Mischung aus Neugier, Entsetzen und schriller Panik. Hinter mir ertönen zusammenhanglose Rufe, heftige Auseinandersetzungen und entsetzte Schreie, die Joys Ausbruch widerspiegeln. Vor mir sind zwei Frauen aufgesprungen. Sie wiegen sich synchron, stoßen gurgelnde Laute hervor – weder Sprache noch Lied – und heben die Arme, als wollten sie das Böse abwehren. Angst macht sich in der Arena breit. Doch Leonard Krall behauptet sich. Mit ausgestreckter Hand und noch immer lächelnd bringt er das Publikum zum Schweigen.
    »Fürchtet euch nicht, ihr Menschen. Willkommen, meine liebe Bethany. Meine geliebte Tochter. Mein gesegnetes Kind.«
    Bethany lächelt ihn an, und ihr Lächeln ist so schön und unerwartet und rein, dass alle innehalten. Ich wusste nicht, dass sie so lächeln kann. Wie eine liebende Tochter. Ihre Stimme bricht, als sie einfach nur »Dad« sagt.
    Eine kurze Pause, dann atmen alle gemeinsam aus. Stimmengewirr erhebt sich.
    Krall wird lauter. »Ja. Dies ist meine Tochter, ihr Menschen. Meine Tochter.« Er strahlt.
    »Meine liebste Bethany. Das Böse hat uns getrennt. Doch nun hat sie zu meiner großen Freude
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